Haltlos
Menschen gelebt und kann sich deshalb sehr gut anpassen. Mich hat er zu sich geholt und mit meiner Ausbildung begonnen, kaum dass ich auf die Welt gekommen war. Er hat das Tor hier in Kiel jeden zweiten Zyklus bewacht.“
Sie war neugierig und fragte: „Und wo ist dein Mentor jetzt?“
Sie sah den Respekt in seine Augen, als er antwortete: „Er ist in Hamburg. Dort gibt es ebenfalls ein Tor in der Nähe der Uni und dieses Tor ist das größte von allen. Nicht umsonst heißt es «Hamburg – das Tor zur Welt»!“
Dann erklang das Silberglöckchen und kündigte Alberts lukullische Leckerbissen an. Sie unterbrachen ihr Gespräch, als der Butler mit einem großen Tablett den Raum betrat und den Tisch zu decken begann. Victoria merkte, dass sie schon richtig Appetit hatte und freute sich aufs Essen.
Heute gab es vorweg Rucolasalat mit Kirschtomaten und in Honig gerösteten Pinienkernen. Das war eindeutig ihr Lieblingssalat und Alberts Version davon war einfach nur köstlich. Hmmmm – die Pinienkerne waren sogar noch warm. Als Hauptspeise gab es ganz klassisch frischen Spargel mit dick aufgeschnittenem Katenschinken, Petersilienkartoffeln und hausgemachter Sauce Hollandaise. Ebenfalls eines von Victorias Lieblingsgerichten und genauso überragend lecker wie schon die Vorspeise.
Sie schwelgte begeistert in den feinen Aromen, so dass Jaromir leise lachen musste. „Dafür, dass du das Essen so liebst, isst du aber sehr unregelmäßig, Vici.“
Sie grinste und antwortete: „Das liegt einfach nur daran, dass kaum einer so kochen kann wie Albert. Und dann kocht er auch noch meine Lieblingsgerichte; der Mann ist echt ein Genie!“
Jaromir zwinkert ihr zu. „Er hat mir heute Morgen die Pistole auf die Brust gesetzt und nach deinen Vorlieben gefragt. Viel konnte ich nicht sagen, aber das eine oder andere ist dir schon mal durch den Kopf gegangen…“
Sie lachte und sagte dann zärtlich: „Verräter.“
Seine Augen strahlten. „Warte nur den Nachtisch ab…“
„Wie gemein, dass ich heute keine Gedanken lesen darf. Das spannt mich jetzt echt auf die die Folter!“
Er lachte und neckte sie: „Geduld ist nicht so deine Stärke, was? Aber keine Angst, Albert ist schon auf der Treppe.“
Tatsächlich brachte Albert wenige Augenblicke später den Nachtisch. Es gab Quarkpudding mit einer Fruchtsauce aus frischen Erdbeeren. Dieses einfache Gericht hatte Victorias Mutter in ihrer Kindheit auch häufig gekocht – auf Victorias Drängen hin wohl öfter als ihr lieb war. Und Alberts Kreation war unglaublich.
Sie schloss genießerisch die Augen, als sie den letzten Löffel in den Mund steckte und seufzte: „Ich glaube, wenn ich häufiger zu dir zum Essen komme, wiege ich in Kürze ein paar Kilo mehr!“
Er lächelte sie an und seine warmen, braunen Augen ließen flüssiges Glück in sie hinein sickern. „Da brauchst du keine Angst zu haben, Kleines. Zaubern verbraucht nicht nur astrale Energie. Es wird dir einfach nur gut tun, ein wenig mehr zu essen.“
Sie lächelte zurück. „Na, dann kann ich mich ja ohne Reue auf morgen Abend freuen.“
10. Voll neben der Spur
Die nächsten drei Wochen waren für Victoria ein Auf und Ab der Gefühle. Jaromirs Geschichte von den Drachen beunruhigte sie und besonders der Teil, in dem es um magiebegabte Menschen ging, machte ihr immer wieder Sorgen. Sie hielt ihre Gedankenfenster verbissen geschlossen und erlaubte sich keine Nachlässigkeit. Allein der Gedanke, dass sie sich nicht mehr an Jaromir erinnern könnte, machte sie wahnsinnig. Sie würde lieber sterben, als eine Sekunde ohne ihn zu leben. Ihm ging es nicht anders und so hielt auch er die Gedankenfenster verschlossen.
Nur wenn Victoria und Jaromir sich räumlich nah waren, zogen sie die Vorhänge einen winzigen Spalt auf – gerade weit genug, so dass der andere die eigenen Gedanken leise hören konnte. Während dieser Zeit entspannte sich Victoria und war wieder sie selbst.
Die Geometrievorlesung hatte sie schon von Anfang an sehr gemocht, nun war es mit Abstand ihre Lieblingsvorlesung. In seiner Nähe konnte sie sich wunderbar konzentrieren. War sie jedoch von ihm getrennt, fühlte sie sich rastlos und nahm ihre Umwelt nur noch am Rande wahr. Sie war dann permanent damit beschäftigt, ihn zu orten und seine Gefühle zu spüren, um wenigstens einen Hauch Nähe zu ihm zu fühlen.
Zum Glück hatte Jaromir ihr in der Woche, nachdem sie überfallen worden war, gezeigt, wie sie ihre astrale Kapazität beim
Weitere Kostenlose Bücher