Haltlos
Restaurant geworden. Ich habe sehr selten Besuch und auch wenn ich ihm immer Anerkennung für sein Schaffen zolle, bereut er es manchmal, mir zu dienen – auch wenn er das nie laut aussprechen würde.“
Victoria verstand. „Deswegen freut er sich so, wenn ich hier bin.“
Er lächelte. „Ja, deine offensichtliche Begeisterung für seine lukullischen Zaubereien ist ihm der schönste Lohn. In der Vergangenheit habe ich mich bemüht, ihm Praktika bei verschiedenen Köchen zu verschaffen. So ist er immer mal wieder für ein paar Wochen rausgekommen und konnte im normalen Leben abtauchen. Er liebt das wirklich und er hat mehr als ein sehr gutes Jobangebot bekommen.“
Sie erstaunte das nicht. „Darf er denn überhaupt einen anderen Job annehmen – ich meine, bei dem, was er alles über dich weiß?“
Jaromir legte den Kopf schief. „Das dürfte schwierig werden, aber ich glaube, ich könnte das hinbekommen. Allerdings war Albert nach den Wochen in der hektischen Kochnormalität immer froh, wieder zu Hause zu sein. Hier hat er alle Zeit und die entsprechenden Mittel Neues auszuprobieren. Wenn er sich neue Ausstattung wünscht, kaufe ich sie ihm. Und seitdem du mich öfter besuchst, hat er kein Verlangen mehr, fortzugehen.“
Victoria lachte. „Darüber bist du wohl auch nicht allzu traurig.“
Sie tippte sich an den Kopf und fuhr grinsend fort: „Wie ich sehen kann, war die Zeit von Alberts Abwesenheit wirklich hart für dich: Mensaessen, Tiefkühlpizzen, Schnellrestaurants und Lieferservice… ganz zu schweigen von den Hausarbeiten, die du an Alberts Stelle erledigen musstest…“
Er lachte. „Ich hätte mir ja theoretisch einen Ersatz suchen können, aber Menschen, die meine Aura nicht gewohnt sind, hätten es hier über Wochen kaum ausgehalten und eine entsprechend qualifizierte Aushilfe ist schwierig zu bekommen. Außerdem hasst Albert es wirklich, wenn jemand Fremdes in seiner heiligen Halle arbeitet. Er kann es mit Mühe akzeptieren, dass ich mir hier mein Essen warm mache.“
Victoria lachte, als sie in seinem Geist sah, wie ungeschickt sich der Professor in der Küche anstellte.
Sie ließ ihren Blick weiter durch den Raum schweifen. Alles war in hellen Farben gehalten und wirkte trotz der vielen Edelstahlflächen hell und freundlich und alles andere als kalt. Durch die zahlreichen Fenster kam tagsüber bestimmt viel Sonnenlicht herein und die relativ niedrige Decke mit den vielen kleinen Rundbögen und Pfeilern machte den großen Raum irgendwie gemütlich.
In einer dunkleren Ecke stand ein überdimensionales Gewürzregel und Victoria ging es hier wie mit den Kräutern. Auf den eleganten Glasbehältern las sie Namen, die sie zuvor noch nie gehört hatte. Eines war jedoch auffällig: Der Behälter für den Zimt war mehr als dreimal so groß wie alle anderen.
Sie schüttelte lächelnd den Kopf und sah sich weiter um. Als ihr Blick auf den großen Weintemperierschrank fiel, merkte Jaromir an: „Die wahren Schätze hütet der Gute natürlich im Weinkeller. Das hier sind nur die Tischweine für die nächsten Tage.“
Sie drehte sich um und fühlte sich plötzlich in eine andere Zeit versetzt. Vor ihr entdeckte sie eine alte Kochstelle. Sie schien noch zur Originalausstattung des Hauses zu gehören und war bestimmt mehrere Jahrhunderte alt. Neben der Kochstelle war klein gehacktes Feuerholz fein säuberlich aufgestapelt.
Jaromir spürte ihre Frage und erklärte: „Albert ist der festen Überzeugung, dass manche Gerichte auf offenem Feuer zubereitet werden müssen. Das Kochen wurde in diesem Haus in den letzten Jahrhunderten sehr stiefmütterlich behandelt und so war die Küche in einem heruntergekommenen, aber auch ursprünglichen Zustand, als ich das Haus übernahm. Viele Teile der Küche waren entsprechend alt und stammten wie diese Kochstelle noch aus der Gründerzeit. Albert war begeistert, als ich ihm die Modernisierung nach seinen Vorstellungen übertrug.“
Er lachte bei der Erinnerung daran und Victoria sah die Bilder vom jungen Albert in seinem Geist; dann fuhr er fort: „Es war wie Weihnachten für ihn. Er ließ fast alles rausreißen, eben nur nicht diese Kochstelle. Es hat fast drei Jahre gedauert, bis Albert das gute Stück in mühevoller Kleinarbeit restauriert hatte. Jetzt ist es das Prunkstück der Küche und so manch befreundeter Küchenchef hätte selbst gern so eine Kochstelle.“
Victoria sah sich weiter staunend um, als Jaromir zum Kühlschrank ging und nach einem kleinen
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