Haltlos
Verbindung mit Jaromir wusste sie, dass er sich sehr zusammenreißen musste, sich nicht zu verwandeln.
„Ach was soll’s. Wir sind erst vier Wochen zusammen. Außerdem hauen mich seine Küsse um – er küsst mich einfach schwindelig.“
Sie spürte noch immer das angenehme Prickeln, das sich in der letzten halben Stunde in ihr ausgebreitet hatte.
Was sie im Moment aber ebenso stark beschäftigte, war die geistige Verbindung zu ihm. Es war irgendwie merkwürdig. Fast so, als wäre sie in einem riesigen Haus mit unendlich vielen Räumen. Viele Zimmer hatten offene Türen und wenn sie die betrat, sah sie seine Erinnerungen oder sein Wissen. Es war nahezu, als wäre das ihr eigenes Gedächtnis. Wenn er ihr etwas zeigen wollte, stand sie urplötzlich in dem entsprechenden Raum – schneller und effektiver konnte man Informationen nicht austauschen.
Die Räume, bei denen die Türen verschlossen waren, betrat sie nicht, obwohl sie sicher war, dass sie das könnte. Aber sie wollte ihm ganz bewusst seine Privatsphäre lassen. Und so war es auch mit dem Denken: Wenn er für sich sein wollte, zog er sein Bewusstsein einfach in einen Raum zurück und sie folgte nicht. Umgekehrt war es genauso, auch sie konnte wie jetzt allein ihren Gedanken nachhängen und war doch mit ihm verbunden.
Diese Nähe entspannte sie. „Das sollte immer so sein…“
Sie lächelte und sprach Jaromir in Gedanken an: „Sag mal, können andere Drachen die Gedankenverbindung zwischen uns wahrnehmen?“
Er überlegte kurz. „Hmmm, ich bin mir nicht ganz sicher, aber ich glaube nicht…“
Das hatte sie hören wollen. „Hättest du denn etwas dagegen, wenn ich noch ein wenig bleibe?“
Sie konnte das Strahlen in seinen Augen förmlich sehen, als er antwortete: „Nein. Das wäre wunderschön.“
Wenig später saßen sie gemeinsam am Frühstückstisch, obwohl «Frühstück» nicht annähernd zutreffend war. Albert musste heute schon mehrere Stunden eingekauft und in der Küche gestanden haben. Der neue Tisch im weißen Salon war fast vollständig mit Leckereien bedeckt: lauter Miniportionen, die zum Probieren verführten. Victoria schwelgte in Tomate-Mozzarella mit frischem Basilikum, Räucherfisch mit Dijonsenf, Obstsalat mit lockerluftiger Quarkcreme, Pflaumen in Speckmantel und einer unglaublichen Käseauswahl. Dazu gab es jede Menge selbstgemachte Marmeladen und exquisiten Honig. Die kleinen Brötchen waren noch warm und auch ohne Belag einfach nur köstlich.
Und das war nur die Hälfte von dem, was auf dem Tisch stand. Victoria konnte unmöglich alles probieren. Sie lächelte glücklich und hielt ihre große Schale dampfenden Milchkaffee genüsslich in beiden Händen. Er hatte eine leichte Zimtnote und so richtig viel Schaum. „Herrlich! Genau das Richtige für diesen Morgen.“
Jaromir blickte satt und zufrieden auf den Tisch und bemerkte trocken: „Wenn ich DAS gewusst hätte, Victoria, ich schwöre, dann hätte ich schon früher mein Geschirr abgewaschen!“
Nach dem Frühstück fuhren sie zusammen zu ihrer Studentenbude. J war da und als sie die Tür öffnete, rief er gleich aus seinem Zimmer: „Hallo Prinzessin, na bist du jetzt wieder entspannt?“
„Ja, das bin ich!“, antwortete sie lachend.
Da hörte sie auch schon, wie J in den Flur kam. Als er jedoch den Professor hinter ihr entdeckte, verschwand sein Lächeln. „Ah, wie ich sehe, wollt ihr wohl nur ein paar Sachen holen.“
Jaromir nickte, fügte aber hinzu: „Victoria hat mir erzählt, dass du dich wirklich gut mit dem Aston Martin auskennst.“
J lehnte lässig am Türrahmen und verschränkte die Arme abweisend vor der Brust. „Kann schon sein…“
Jaromir sah ihn direkt an und fragte: „Würdest du mir einen Gefallen tun? Als ich mir den Wagen gekauft habe, war er in keinem besonders guten Zustand. Der Kilometerstand passte überhaupt nicht zu den Gebrauchsspuren. Ich habe versucht, das Fahrzeug mit Originalteilen wieder aufzuarbeiten und konnte sogar noch Lack nach dem Originalrezept anmischen lassen. Aber ich frage mich, ob der Tacho wirklich zur Erstausstattung gehört. Würdest du mal einen Blick drauf werfen?“
Victoria konnte hören, wie es in J’s Gedanken arbeitete. Eigentlich wollte er nicht mehr als unbedingt nötig mit dem Professor zu tun haben und er wollte schon gar keine «Geschenke» von ihm annehmen, aber das hier war ja etwas anderes. Schließlich würde er ihm hier einen Gefallen tun.
J taxierte Jaromir kurz und entgegnete dann:
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