Hana
der Party bei der Roaring Brook Farm gekommen ist. Sie muss schockiert gewesen sein von der Musik und den Leuten: Jungen und Mädchen, Ungeheilte, zusammen. Sie sah schockiert aus. Sie hat mich angesehen, als wäre ich bereits krank.
Ich klappe das Handy auf und tippe die ersten drei Ziffern ihrer Nummer ein. Dann klappe ich das Telefon wieder zu. Ich habe ihr schon ein paar Nachrichten hinterlassen – zwei oder drei – und sie hat nie zurückgerufen.
Außerdem schläft sie wahrscheinlich schon, genau wie ihre Tante Carol, die bei meinem Anruf bestimmt misstrauisch werden würde. Und ich kann Lena nichts von Steve Hilt erzählen – ich will ihr keine Angst machen und vielleicht würde sie mich melden. Genauso wenig kann ich ihr erzählen, was ich jetzt fühle: dass mein Leben mich immer mehr einengt, als würde ich durch eine Reihe Zimmer gehen, die immer kleiner werden. Sie wird mir sagen, ich sollte glücklich sein und dankbar für mein Ergebnis bei der Evaluierung.
Ich werfe das Telefon aufs Bett. Beinahe augenblicklich summt es: eine SMS. Mein Herz macht einen Satz. Nur wenige Leute haben meine Nummer – nur wenige Leute haben überhaupt Handys. Ich greife wieder nach dem Telefon, klappe es mühsam auf. Das Jucken in meinem Blut bringt meine Finger zum Zittern.
Ich wusste es. Die Nachricht ist von Angelica.
Kann nicht schlafen. Seltsame Albträume – stand an der Ecke Washington/Oak Street und fünfzehn Kaninchen wollten mich zum Tee einladen. Ich kann es kaum erwarten, endlich geheilt zu werden!
All unsere Nachrichten, die mit der Untergrundbewegung zu tun haben, müssen sorgfältig verklausuliert werden, aber diese hier ist leicht zu entschlüsseln. Wir treffen uns in einer Viertelstunde an der Ecke Washington und Oak Street.
Wir gehen zu einer Party.
zwei
U
m nach Deering Highlands zu kommen, muss ich die Halbinsel verlassen. Ich vermeide die St. John Street, obwohl ich so auf direktem Weg zur Congress Street käme. Vor fünf Jahren gab es dort einen Deliria-Ausbruch – vier betroffene Familien, viermal wurde der Eingriff vorgezogen. Seitdem gilt die ganze Straße als unrein und ist immer wieder Ziel der Aufseher und Patrouillen.
Das Jucken unter meiner Haut ist zu einer gleichmäßigen, pochenden Kraft angewachsen, einem Drang in meinen Beinen, Armen und Fingern. Ich kann kaum schnell genug in die Pedale treten. Ich muss mich zwingen, es nicht zu übertreiben, muss wachsam und aufmerksam bleiben für den Fall, dass Aufseher in der Nähe sind. Wenn ich während der Ausgangssperre draußen erwischt werde, muss ich eine Menge Fragen beantworten, und das hier – mein letzter Sommer als ich selbst, mein letzter Sommer in Freiheit – wird ein jähes Ende finden.
Glücklicherweise erreiche ich die Highlands ohne Zwischenfälle. Ich werde langsamer, mustere mit zusammengekniffenen Augen die Straßenschilder und versuche trotz der Dunkelheit Buchstaben zu entziffern. Deering Highlands ist ein Durcheinander aus verschiedenen Straßen und Sackgassen und ich kann sie mir nie alle merken. Ich komme an der Brooks Street und der Stevens Street vorbei, an der Tanglewild Lane, der Crestview Avenue und dann verwirrenderweise am Crestview Circle. Wenigstens ist Vollmond – er steht fast direkt über mir. Heute Nacht sieht der Mann im Mond aus, als würde er zwinkern oder süffisant lächeln: ein Mond mit Geheimnissen.
Dann entdecke ich die Oak Street. Obwohl ich jetzt das Fahrrad eigentlich nur rollen lasse, klopft mir das Herz so heftig im Hals, dass ich das Gefühl habe, es müsste mir aus dem Mund springen, wenn ich etwas sagen würde. Ich habe den ganzen Abend über vermieden, an Steve zu denken, aber jetzt, wo ich näher komme, kann ich nicht anders. Vielleicht ist er ja auch da. Vielleicht, vielleicht, vielleicht. Die Vorstellung – der Gedanke an ihn – ergießt sich in mein Bewusstsein, nimmt Gestalt an. Ich kann es nicht unterdrücken.
Als ich vom Fahrrad steige, taste ich in meiner Hosentasche instinktiv nach der Nachricht, die ich die letzten zwei Wochen überall mit hingenommen habe, nachdem ich sie ordentlich zusammengefaltet oben in meiner Strandtasche entdeckt hatte. Ich mag Dein Lächeln. Ich möchte Dich kennenlernen. Lernen wir heute Abend gemeinsam? Erdkunde. Du hast bei Mr Roebling, stimmt’s? – SH.
Steve und ich waren uns schon zu Anfang des Sommers auf einigen der Untergrundpartys begegnet und einmal hatten wir uns beinahe unterhalten, nachdem ich ihn angerempelt
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