Handyman Jack 01 - Die Gruft
verschmitzten Lächeln. »Ich bin sicher, Sie können diesen Abend von der Steuer absetzen.«
»Ich benutze den kurzen Dienstweg.«
Sie lachte. Ein entzückendes Geräusch.
Auf ihrem Weg durch die Pfauenbar war sich Jack überdeutlich des warmen Drucks von Kolabatis Hand an der Innenseite seines Arms und um seinen Bizeps bewusst und er bemerkte auch die verstohlene Aufmerksamkeit, die sie beim Vorbeigehen von allen Seiten auf sich zogen.
Von der Pfauenbar im Waldorf an der Park Avenue zu Southern Ribs auf der West Side – dazwischen lagen Welten. Aber Kolabati bewegte sich von einer Gesellschaftsschicht zur anderen mit der gleichen Leichtigkeit wie von einem Gericht zum anderen an der dicht umdrängten Salatbar, wo die Aufmerksamkeit, die sie erregte, weit offener zutage trat als im Waldorf. Sie schien sich überall anpassen zu können, und das faszinierte Jack. Eigentlich faszinierte ihn alles an dieser Frau.
Im Taxi auf dem Weg ins Restaurant hatte er begonnen, sie über ihre Vergangenheit auszuhorchen und erfahren, dass sie und ihr Bruder aus einer reichen Familie in Bengalen stammten und dass Kusum als Junge seinen Arm bei einem Zugunglück verloren hatte, bei dem beide Elternteile umgekommen waren. Danach waren sie bei der Großmutter aufgewachsen, die Jack in der Nacht zuvor kennengelernt hatte. Das erklärte, warum sie so an ihr hingen. Kolabati hatte einen Lehrauftrag an der linguistischen Fakultät der Georgetown University und gab manchmal Seminare an der Schule im Auswärtigen Amt.
Jack sah zu, wie sie die kalten Shrimps aß, die sie vor sich aufgetürmt hatte. Mit flinken Fingern pulte sie elegant, aber bestimmt die rosa Körper aus den Panzern und tunkte sie abwechselnd in Cocktailsauce oder das russische Dressing, dass sie mit an den Tisch gebracht hatte, und warf sie sich dann in den Mund. Sie aß mit einem Appetit, der ihn begeisterte. Man traf heutzutage selten eine Frau, die ein üppiges Mahl genießen konnte. Er konnte das ganze Gerede über Kalorien und Pfunde und die schlanke Linie nicht mehr hören. Kalorienzählen konnte man in der Woche. Wenn er mit einer Frau essen ging, dann sollte sie das Essen genauso genießen, wie er es tat. Es war dann ein Laster, dem sie beide frönten. Es vereinte in der Sünde, einen vollen Magen zu genießen, und im Schmecken, Kauen, Schlucken und Herunterspülen, das dazu führte. Man wurde zu Komplizen. Es war verdammt erotisch.
Das Mahl war vorbei.
Kolabati ließ sich in ihrem Stuhl zurücksinken und starrte ihn an. Zwischen ihnen befanden sich die Überreste diverser Salate, zwei Streifen abgenagter Rippchen, ein leerer Bierkrug und die Schalen von mindestens hundert Shrimps.
»Ich platze gleich«, stöhnte Jack, »Aber das war es wert. Trotzdem ist es ganz gut, dass du kein Steak magst. Das ist hier oft ziemlich zäh.«
»Oh, ich mag schon Steak. Aber Rindfleisch soll nun einmal schlecht für das Karma sein.«
Während sie sprach, tastete sich ihre Hand über den Tisch und fand die seine. Die Berührung war wie ein elektrischer Schlag – ein Zucken schoss seinen Arm hoch. Jack schluckte und versuchte, das Gespräch in Gang zu halten. Sie musste ja nicht sehen, wie sehr sie ihn erregte.
»Karma. Das ist ein Wort, das fast jeder in den Mund nimmt. Was bedeutet es eigentlich wirklich? So etwas wie Schicksal, oder?«
Kolabati runzelte die Stirn. »Nicht wirklich. Es ist schwer zu beschreiben. Am Anfang steht die Idee der Seelenwanderung. Die Seele – was wir Atman nennen – durchläuft dabei viele hintereinanderfolgende Inkarnationen oder Leben.«
»Reinkarnation.« Jack hatte schon davon gehört. Bridey Murphy und solche Sachen.
Kolabati drehte seine Hand um und ließ sachte ihre Fingernägel über seine Handfläche gleiten. Auf seinem ganzen Körper breitete sich Gänsehaut aus.
»Richtig«, sagte sie. »Karma ist die Last an guten oder bösen Taten, die der Atman von einem Leben ins nächste mit hinübernimmt. Es ist kein Schicksal, denn du selbst entscheidest, wie viel Gutes oder Böses du in jedem deiner Leben anhäufst, aber andererseits bestimmt das Gewicht des Guten oder Bösen die Art des Lebens, in das man hineingeboren wird.«
»Und das geht immer so weiter?« Das wünschte er zumindest von dem, was sie mit seiner Hand tat.
»Nein. Dein Atman kann vom Rad des Karma befreit werden, wenn es einen Status der Perfektion im Leben erreicht. Das ist Moksha. Danach gibt es keine weiteren Inkarnationen für das Atman. Das ist das endgültige
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