Hanni und Nanni - Klassenfahrt nach England
unserer Schüler für unseren gemeinsamen Kinobesuch verantwortlich … Aber jetzt möchte ich Sie wirklich gerne einladen.“
Frau Mägerlein war glühend rot im Gesicht geworden. Plötzlich stand sie auf und strich energisch ihren ohnehin schon glatt gebügelten Rock noch glatter. „Ich muss jetzt nach oben gehen“, sagte sie mit unsicherer Stimme. „Es ist spät geworden … “
Mister Gordon blieb sitzen und sah ihr nach. Frau Mägerlein war schon fast an der Tür, als sie sich noch einmal umdrehte.
„Gerne“, sagte sie und Mister Gordon lächelte.
„Jetzt komm schon“, zischte Nanni ihrer Schwester ins Ohr. „Wenn sie uns erwischt, ist alles aus.“
Die beiden huschten den Gang entlang und die Treppe hinauf in ihr Zimmer.
In den verbleibenden Tagen probten tagsüber alle mit Mademoiselle Bertoux das Shakespeare-Stück. Abends trafen sie sich im Verlies, um die neue Choreografie zu Lillys Song einzustudieren. Die Ausgangssperre drückte ein bisschen auf die Stimmung, aber das wurde durch die Vorfreude auf die Aufführung und Lillys Zugabe wettgemacht.
Ab und zu nahm Sir Duckton die Mädchen mit auf kurze Spaziergänge ins Moor. Dann erzählte er gruselige Geschichten über einsame Wanderer, die nachts Irrlichtern folgten oder auf andere Weise in den Sumpf gelockt wurden.
„… und man hat nie wieder etwas von ihnen gesehen oder gehört“, beendete er seine Erzählungen regelmäßig und starrte eine Weile düster ins Moor. Dann lachte er.
In der Küche schwiegen Hanni und Nanni weiterhin beharrlich, wenn das Thema auf London kam. Ansonsten verstanden sie sich aber prima mit Sandie und hatten jede Menge Spaß. Die Zwillinge konnten wegen des Küchendienstes zwar nicht mit auf die Ausflüge von Sir Duckton. Aber abends im Verlies hatten sie in Clyde, Seth und Lilly zuverlässige Nacherzähler der Duckton’schen Schauergeschichten.
„Oh nein, hör bloß auf“, stöhnte Nanni jedes Mal, wenn Lilly wieder anfing. „Ich werde nie wieder ruhig schlafen können.“
Das war nicht das Einzige, was ihr schlaflose Nächte bereitete. Sie war aufgeregt, weil der Tag der Aufführung unaufhaltsam näher rückte. Und während Hanni neben ihr selig schlummerte, stellte sich Nanni unzählige Fragen: Würde ihr Plan gelingen? Würde die Aufführung klappen? Würde Lillys Song ein Erfolg werden? Über all diesen Fragen schlief sie dann doch ein.
Endlich war der große Tag gekommen. Schon mittags trudelten die Eltern, Verwandten und Freunde der Jungs von St. Claire ein und spazierten mit ihnen durch den großen Park der Burg und über die sich anschließenden Wiesen. Sandie hatte im Hof neben der Bühne eine große Tafel gedeckt, an der es Kaffee, Tee und Kuchen für alle gab. Die Schauspieler und Musiker hatten sich schon ziemlich früh hinter die Bühne verzogen, um sich zu schminken und ihre Kostüme anzuziehen. Lilly schärfte jedem Einzelnen noch einmal die schwierigen Stellen ein. Ab und zu flatterte Mademoiselle Bertoux herein und machte alle nervös.
Hanni und Nanni hatten nahe dem Ausgang zur Bühne Stellung bezogen und linsten ab und zu durch einen Spalt des Vorhangs nach draußen. Immer mehr Eltern füllten den Platz vor der Burg, aber die beiden schienen trotzdem enttäuscht zu sein.
„Was ist denn mit euch los?“, fragte Daniela.
„Nichts.“ Hanni warf einen Blick nach draußen.
„Wartet ihr auf jemand Bestimmtes?“, fragte Lilly. Auch ihr war aufgefallen, dass die Zwillinge ungewöhnlich still waren.
„Nö“, sagte Hanni gedehnt. „Eigentlich … ja.“
In diesem Moment zupfte Nanni sie am Ärmel. „Oh, sieh mal!“, rief sie. „Da ist ja Ben.“ Sie zeigte nach draußen. Ben stand bei der Bühne unter einem großen Baum und unterhielt sich mit Mister Gordon.
„Ach, der Barkeeper“, sagte Daniela und verlor das Interesse.
„Sie werden wohl doch nicht kommen“, meinte Hanni leise, nachdem Daniela gegangen war.
„Abwarten. Noch ist nicht aller Tage Abend“, erwiderte Nanni. Aber die Aufführung rückte näher und die geheimnisvollen Gäste, die Hanni und Nanni erwarteten, kamen nicht.
Sie waren auch noch nicht da, als Seth und Lilly schließlich auf die Bühne sprangen und Mademoiselle Bertoux sich gelassen ans Dirigentenpult stellte. Sie kannte Lillys sehr spezielle Einführung zu Shakespeares „Romeo und Julia“ ja schon von der letzten Aufführung und ließ sich nicht mehr aus der Ruhe bringen.
„ … die Lovestory von Romeo und Julia “, deklamierte Lilly. „
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