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Hard News

Hard News

Titel: Hard News Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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sah: den grauen Beton auf sich zukommen, der ihm den Kopf zerschmettern würde.
    Er sah: das Blitzen des Glasmessers in der Hand eines jungen Latinos. »Tu’s«, flüsterte Ascipio.
    Der junge Mann mit dem Glasmesser trat vor.
    Aber dann sah Boggs noch etwas anderes. Ein Schatten, der sich aus einem noch tieferen Schatten löste. Ein mächtiger Schatten.
    Eine nach unten ausgestreckte Hand packte das Handgelenk des Mannes mit dem Messer.
    Knacks.
    Der Angreifer schrie auf, als sich sein Handgelenk in der riesigen Hand des Schattens zur Seite bog. Das Glas fiel auf den Betonboden und zerbrach.
    »Gott erbarme sich eurer«, sagte der Schatten mit getragener, ehrfürchtiger Stimme. »Denn ihr wisset nicht, was ihr tut.« Dann wechselte der Tonfall. »Und jetzt macht, dass ihr wegkommt, verflucht. Wenn ihr das noch mal versucht, seid ihr tot.«
    Ascipio und das dritte Mitglied des Trios halfen dem Angreifer auf die Beine. Sie liefen den Flur runter.
    Der mächtige Schatten, dessen Name Severn Washington lautete, verurteilt zu fünfzehn bis fünfundzwanzig Jahren für einen Mord, begangen, bevor er sich zu Allah bekannt hatte, half Boggs auf die Beine. Der dürre Mann schloss die Augen und holte tief Atem. Dann machten sie sich gemeinsam schweigend zur Bibliothek auf. Boggs, dem schrecklich die Hände zitterten, warf einen Blick nach der Wachstation, wo die Wärter lächelnd nickten, als in dem Fernseher die Leiche auf dem OP-Tisch wie durch ein Wunder wiederbelebt wurde und die Vorschau auf die Folge in der nächsten Woche einsetzte.
     
    Vier Stunden später saß Randy Boggs auf seiner Pritsche und hörte seinem Zellengenossen zu; Wilker, James, acht Jahre wegen Hehlerei im Wiederholungsfall.
    »Hab gehört, die sind auf dich losgegangen, Mann, dieser Ascipio, Mann, is ’n echt übler Dreckskerl. Wieso macht der das? Kann’s mir nicht vorstellen, du hast doch gar nichts mit dem, Mann.«
    Wilker, James, redete weiter wie immer, immer weiter und weiter und verflucht noch mal weiter, aber Randy Boggs hörte nicht hin. Er saß auf seiner Pritsche, gebeugt über eine Ausgabe von People. Er las jedoch nicht in der Zeitschrift. Er benutzte sie als Tisch, auf dem ein Blatt billiges, liniertes Schreibpapier ohne Rand lag.
    »Versteh mich nich falsch, Mann« sagte Wilker, James. »Ich sag nix gegen die Puertoricaner. Ich mein, weißte, das Problem ist, die sehen die Sachen nicht so wie normale Menschen. Ich mein, das Leben, das Leben is nich …«
    Boggs ignorierte das sinnlose Gelalle des Mannes und setzte schließlich den Stift auf das Papier. In die linke obere Ecke schrieb er ›Männerstrafanstalt Harrison‹. Schrieb das Datum. Dann schrieb er:
     
    An den, der sich angesprochen fühlt: Sie müssen mir helfen. Bitte.
     
    Nach diesem wohl überlegten Anfang hielt Randy Boggs inne, dachte lange nach und setzte erneut zu schreiben an.

2
    Rune schaute sich das Band an und dann noch einmal. Und dann noch einmal.
    Sie saß in einer einsamen Ecke im Nachrichtenstudio des Senders, einer riesigen, offenen Fläche, die durch mannshohe, mit grauem Stoff bezogene Trennwände abgeteilt war. Die Kulissen im Blickfeld der Kameras erstrahlten in makelloser Sauberkeit; die übrigen Wände und Fußböden waren abgewetzt und angestoßen und verschmutzt. Um von einer Seite des Studios zur anderen zu kommen, musste man über eine Million Kabel und um Monitore und Kameras und Computer und Schreibtische tanzen. Der Raum wurde von einer riesigen Kontrollkabine beherrscht, die wie die Brücke des Raumschiffs Enterprise wirkte. Ein Dutzend Menschen stand in Gruppen um Schreibtische und Monitore. Andere waren mit Papieren und blauen Pappbechern voll Kaffee und Videokassetten unterwegs. Wieder andere saßen an Computern und tippten oder redigierten Nachrichten.
    Alle waren locker gekleidet, aber niemand benahm sich locker.
    Rune kauerte über dem 3/4-Zoll-Bandgerät von Sony und einem kleinen Farbfernseher, der als Monitor diente.
    Aus dem kleinen Lautsprecher drang eine blecherne Stimme. » Ich hab denen damals schon gesagt, was ich Ihnen jetzt sage: Ich war’s nicht. «
    Der Mann auf dem Bildschirm war ein hagerer Mittdreißiger mit hohen Wangenknochen und Koteletten. Sein Haar war zurückgekämmt und wurde über der Stirn von einer Schmalzlocke gekrönt. Sein Gesicht war sehr blass. Als Rune das Band vor zehn Minuten eingelegt und gestartet hatte, hatte sie gedacht: Der Kerl ist ein totaler Spinner.
    Er trug einen engen grauen Overall, der

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