Hard Rock Vampir
von dem, was man christlich nannte.
Als ich in die Sonnenstrahlen trat, fühlte ich mich normal.
Gesund.
Und befleckt.
14
Ich verbrachte die Nacht in der Nacht.
Verbrachte die Lüge in der Lüge.
Verbrachte den Horror im Horror.
Ich hasse Konflikte. Und in einem solchen befand ich mich. Würde der Papst seinen Plan verwirklichen, hätte die Kirche aufs Neue die Allmacht über die Menschheit. Was das bedeutete, muss ich nicht erklären. Ein Blick in die Geschichtsbücher genügt, um zu begreifen.
Wobei wir bei der derzeitigen politischen Situation wären. Ägypten wählte und die Moslembrüder kamen an die Macht.
Im Iran waltet ein Irrsinniger, wohingegen die Bürger alles andere als wahnsinnig sind und unter dem Regime leiden, Menschen, die westlich lebten, durch den Schah gebeutelt wurden, und schließlich mit einem Fundamentalisten vorlieb nehmen mussten. Und nun schwebte über ihnen die Bedrohung der Atomwaffen.
Tunesien war im Umbruch, Libyen hatte seinen ermordeten Führer ekelhaft zur Schau gestellt, direkt neben Fotos, auf denen die Politiker der Welt ihm die Hand schütteln, und im Irak starben noch immer Zivilisten, nur weil sie waren, wie sie waren.
Und dann gäbe es den christlichen Westen und den Heiligen Vater, nicht mehr Gottes Vertreter auf Erden, sondern Gott himself.
Wer würde hernach einem Moslem gestatten, den Mund zu öffnen, ohne ihm die Zähne auszuschlagen? Wer würde ein Kopftuch akzeptieren, ohne die Frau hinter der nächsten Ecke zu vergewaltigen, damit sie endlich merkt, wie toll es ist, einen Westschwanz in sich zu spüren? Wer würde noch schwarzhaarig sein wollen?
Wer würde?
Der Konflikt zwischen Christentum und Islam würde eskalieren. Es ginge vorrangig um Öl, doch letztendlich ginge es um Anschauungen – und damit hätte sich zumindest die Zielsetzung verändert.
Warum interessierte mich das?
Ich hatte mein Leben in L. A., weitab von dem, ich produzierte meine Songs und erklomm mit schöner Regelmäßigkeit die Charts. Ich verdiente mich dumm und dämlich, ich war ein Star.
Zurück zu meinem Konflikt.
Ich wollte nicht, dass dies geschah. Doch was würde es ändern, wenn ich es verhinderte, abgesehen davon, dass ich nicht wusste, wie ich das tun sollte? War ich mal wieder der Retter der Menschheit? Langsam aber sicher stank mir das. Vor allen Dingen wusste ich nicht, ob ich tatsächlich ein Retter war, oder nur ein Träumer.
Wen rettete ich?
Die Menschen!
Na und?
Ich bin ein Vampir. Was scheren mich die Menschen?
Was interessiert mich Anna?
Sie war geblieben, wo sie bleiben wollte, doch ich wollte sie bei mir haben. Liebe Güte, ich liebte sie so sehr. Ich vermisste sie, ich verzehrte mich nach ihr. Wir waren uns ähnlich, ohne dass sie das wusste. Ich hatte ihre Augen gesehen. Ihren Blick, als ich zum Vampir wurde. Darin war keine Angst gewesen, sondern Neugierde. Sie sehnte sich zu mir, wie ich mich zu ihr sehnte.
Wie konnte ich so lästerlich über das Menschsein denken, wenn ich selbst es erlebt hatte? Ich wusste nun, wie ein Mensch empfand. Ich hatte hineingerochen, nicht mehr, aber das hatte genügt. Menschsein heißt spüren, fühlen, empfinden. Menschsein bedeutet, anders sein zu wollen, als man ist. Jeder Mensch will gut sein, doch es gelingt ihm nicht. Diese Kreaturen sind bemitleidenswert, denn sie wollen so viel, ohne es zu erreichen, doch diejenigen, die es versuchen, erklimmen die Klippen. Und das bewundere ich an diesen schwachen Wesen. Ihren Ehrgeiz. Ihren Willen. Ihr Wollen. Ihre Intelligenz. Ihre Nachdenklichkeit. Ihre Träume. Auch die von einer besseren Welt. Und ihre Gabe der Trauer. Ihre Tränen. Und ihr Lachen. Ich liebe die Menschen. Sie sind ... wahrhaftig!
Und ihnen soll dieser alte Mann, der sich Heiliger Vater nannte, nicht antun, was er vorhat.
Doch wie konnte ich es verhindern?
Was sollte ich dagegen tun?
Ich kauerte mich auf einer Mauer zusammen und zischte meinen Frust zwischen meinen kalten Zähnen hervor.
Dann endlich fand ich die Lösung.
Und diese Lösung war definitiv beschissen.
15
Die Ellipse des Piazza San Pietro, des Petersplatzes, wirkte wie ein Ameisenhaufen.
Der über das Internet abrufbare Terminkalender des Papstes hatte zu einer außerplanmäßigen Generalaudienz gerufen. Obwohl nicht Mittwoch war, sammelten sich die Gläubigen, Neugierigen und gläubige oder neugierige Touristen. Kameras filmten, Handys speicherten Clips und Fotos, Händler priesen ihre Waren an, Heiligenfiguren, Büchlein und
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