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Harka der Sohn des Haeuptlings

Harka der Sohn des Haeuptlings

Titel: Harka der Sohn des Haeuptlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Sätzen den Abhang schräg hinab dem Zeltdorf zu. Dabei brannte in seinem Innern die Frage, warum der Vater ihn in dieser Nacht in die Höhle geführt hatte. Was hatte er ihm offenbaren wollen? Durch das Zusammentreffen mit dem Unbekannten war alles anders verlaufen als vorhergesehen, und das Geheimnis, das Mattotaupa seinem Sohn in der letzten Nacht in der Waldheimat hatte enthüllen wollen, war Geheimnis geblieben. Voller dunkler und unbestimmter Ahnungen kam Harka endlich wieder zu den Zelten, die er in der Abenddämmerung des vergangenen Tages verlassen hatte.
    Die Tipi, wie die Dakota ihre runden, oben spitz zulaufenden Lederzelte nannten, waren auf einer Waldwiese oberhalb des Flusses aufgebaut. Eine Gruppe von vier größeren Zelten unterschied sich von den anderen: das Zauberzelt des Geheimnismannes, das Beratungszelt, das Zelt des Friedens- und das des Kriegshäuptlings. Diese Tipi waren besonders sorgfältig mit Zauberzeichen in den bunten Erdfarben bemalt, die die Indianer herzustellen wußten. Das Zelt des Kriegshäuptlings Mattotaupa trug das Zeichen großer Vierecke. Auf den schweren Lederplanen lag der Sonnenschein. Harkas Mutter hatte die büffelledernen Zeltwände am Eingang gegen Osten zu von den in die Erde gerammten Pflöcken gelöst und aufgeschlagen, Luft und Licht konnten frei in das Zelt dringen. Harka sah den Feuerplatz in der Mitte des väterlichen Tipis, den Rauch, der kerzengerade aufstieg, und die irdenen Schüsseln. An der Feuerstelle saß die Großmutter und nähte an einem Gewand. Harkas jüngere Geschwister, ein zehnjähriges Mädchen und ein neunjähriger Junge, schauten aufmerksam zu. Die Mutter war vor dem Zelt damit beschäftigt, einen Hasen abzuhäuten. Harka verspürte großen Hunger, denn es hatte seit Wochen nur wenig zu essen gegeben, aber er unterdrückte ihn. Seinem Auftrag gemäß ging er sofort zu dem Zelt des Friedenshäuptlings, das neben dem Tipi Mattotaupas stand.
    Das Zelt des Weißen Büffel war geschlossen. Es war in den letzten Tagen immer geschlossen gewesen, denn der Friedenshäuptling war krank. Auch die Beschwörungen des Zaubermannes hatte ihn noch nicht zu heilen vermocht. Er siechte dahin, ohne eine Wunde zu haben. Harka empfand Scheu vor dem unsichtbaren Feindlichen, das im Mark des Friedenshäuptlings fraß. Als jetzt in dem benachbarten Tipi des Zaubermannes, das mit Schlangen und Donnervögeln bemalt war, ein dumpfer Zaubergesang anhob, nahm der Knabe die Hand vor den Mund, um leise zu Wakantanka, dem »Großen Geheimnis« zu sprechen, das, ihm unfaßbar, hinter allem stand, was er sehen und hören konnte.
    Er raffte sich auf und trat in das Zelt des Weißen Büffel ein.
    Es war dämmrig im Innern. Im Hintergrund saß die Frau, still, scheinbar teilnahmslos. Das kimonoförmig geschnittene Ledergewand, dessen Ärmel und Saum in Fransen ausliefen, legte sich weich um ihre Gestalt. Sie hatte die Hände in den Schoß gelegt und schaute mit trauerndem Blick nach dem Jungen, der bis zur Feuerstelle herangekommen war. Weißer Büffel lag ausgestreckt auf einem Lager von Lederdecken mit der Kopfstütze aus Weidengeflecht, das von einem Dreifuß herabhing. Sein Gesicht war eingefallen, seine Hände waren abgemagert. Er machte eine leise Bewegung, um zu zeigen, daß er aufmerke. Am Fußende seines Lagers stand Schonka, Weißen Büffels einziger Sohn, ein Bursche von fünfzehn Jahren, nackt bis auf den Gürtel. Harka senkte den Blick. Er mochte Schonka nicht. Es war jene Art von Abneigung zwischen den beiden entstanden, die in hundert unwichtigen Anlässen ausbricht und in keinem einzelnen davon ihre Ursache hat. Harka wollte jetzt nicht daran denken. Es lag ihm nur daran zu erreichen, daß Weißer Büffel der Bitte von Harkas Vater nachkam und einen Wachtposten an der Bergquelle zurückließ, wenn das Dorf aufbrach.
    Der Junge berichtete kurz und sachlich.
    Der kranke Häuptling schien nicht alles erfaßt zu haben, was Harka sagte, denn er bewegte den Kopf unruhig und hilflos hin und her, um sich schließlich an Schonka zu wenden. »Wir können keinen Krieger entbehren – sagt mein Vater«, bemerkte der Bursche zu Harka, aber dieser begriff, daß die Ablehnung nur eine Willkür Schonkas war, und der Zorn stieg in ihm auf.
    »Geh«, befahl Schonka. »Mein Vater hat gesprochen, hau.«
    Harka schaute noch einmal zu dem Kranken. Dieser hatte die Augen mit den Lidern bedeckt; es war keine Hoffnung, daß er selbst sprechen werde. Da wandte sich der Junge ab und ging

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