1233 - Der Kunst-Vampir
Justine Cavallo lächelte noch immer. Mochte die Vampirwelt auch ein Zufluchtsort für sie sein, daran gewöhnen konnte sie sich nie. Sie war jemand, der sich lieber an anderen Stellen aufhielt und dort auch konsequent zuschlug.
Aber der Aufenthalt in dieser grauen Düsternis gehörte nun mal zu einem bestimmten Plan.
Der andere Vampir kannte sie nicht. Er hatte sie noch nie zuvor gesehen, denn die Welt war groß. Man konnte sich verstecken, man brauchte überhaupt nicht aus dem Dunkel hervor zu kriechen, so kannte der eine den anderen nicht, und deshalb ging der Vampir auch von völlig falschen Voraussetzungen aus.
Er dachte an das Blut!
Er roch es.
Es war anders als die Reste der Nahrung, von denen er noch zehrte. Er sah es als frischer an, als unverbraucht, und er dachte nicht daran, dass in dieser Welt nur seine Artgenossen lebten.
Wenn der Hunger und die Gier zu groß waren, stürzten sie sich gegenseitig aufeinander, um sich zu zerreißen.
Der Vampir besaß ein besonderes Aussehen. Er trug Fetzen um seinen Körper, der gar nicht kräftig wirkte. Im Gegensatz allerdings zu seinem Kopf, den man wirklich schon als ein Kunstwerk bezeichnen konnte. Es war ein völlig blanker Schädel, auf dem kein winziges Haar wuchs. Ein breiter Mund, darüber eine kleine dicke Nase, dann die hohe Stirn und die beiden sehr großen Ohren, die eng an seinem Kopf lagen, als wären sie mit ihm verwachsen. Der Mund war breit wie eine Luke, aber das alles interessierte nur am Rande, denn wichtig waren allein die Augen.
Dieser kalte gelbe Blick. Bernsteingelb. Grausam, mit winzigen schwarzen Pupillen innerhalb der anderen Farbe. Dieser Blick zeugte davon, dass der Blutsauger etwas Besonderes war und sich in dieser Welt sehr sicher fühlte.
Er sah die blonde Frau, die dunkle Lederkleidung trug. Sie war nicht mal besonders groß, aber sie fiel auf. Sie würde überall auffallen, nicht nur in dieser Welt, in der es kein normales menschliches Leben gab.
Sie öffnete den Mund und lachte den anderen Blutsauger leise an. Dann fragte sie: »Willst du was?«
Der Glatzkopf mit den gelben Augen wusste genau, dass er gemeint war. Wieder riss er den Mund auf. Diesmal gab er nicht mal ein Stöhnen oder Knurren als Antwort, er blieb schweigsam, doch genau dieses Schweigen machte ihn so gefährlich.
»Komm her!«, lockte die Cavallo.
Der Körper zuckte. Justine sah nur, dass sich die lumpige Kleidung bewegte, dann gab er sich einen Ruck und stieß sich zugleich von dem Felsen ab.
Er ging.
Und er war schnell. Die Gier war wie ein Motor, der ihn antrieb. Ein Mensch wäre spätestens jetzt schreiend davongelaufen, nicht jedoch Justine Cavallo.
Eiskalt wartete sie ab, bis der Andere genau die richtige Distanz zu ihr hatte. Plötzlich löste sie die Hände von ihrem Rücken und schwang sie nach vorn.
Die Bewegung wurde blitzschnell durchgeführt und sah aus wie tausend Mal geübt. In der rechten Hand hielt Justine einen scharfen Gegenstand, der an ein Messer mit langer Klinge erinnerte, doch damit nichts zu tun hatte.
Es war eine andere Waffe. Ein Schwert mit kurzer Klinge, das sie blitzschnell in die Höhe schwang, sich dann einmal um die eigene Achse drehte und ein scharfes Lachen ausstieß.
Dann schlug sie zu!
Der Angriff war genau getimt. Der andere Vampir besaß nicht den Hauch einer Chance, der Klinge auszuweichen.
Deshalb traf sie genau dort, wo sie treffen sollte. Es war nur ein kurzer, dumpfer Aufschlag zu hören, dann schien der Kopf plötzlich für einen Moment über dem Körper zu tanzen, und er schien auch wieder auf ihn herabfallen zu wollen, aber das passierte nicht.
Er hatte trotzdem noch einen Schwung nach links bekommen, kippte dann zur Seite und landete auf dem harten Boden, wo er noch ein paar Schritte zur Seite rollte, bevor er endgültig zur Ruhe kam.
Justine Cavallo nickte. Sie war mehr als zufrieden, denn sie wusste, dass sie ihre Aufgabe erledigt hatte. Es gab ihn nicht mehr wie er einmal gewesen war. Der Körper stand noch als kopfloses Etwas, sogar die Hände zuckten, aber das war auch alles.
Er würde nie mehr Blut saugen wollen und auch können.
Justine Cavallo wollte ihn nicht länger vor sich stehen haben und stieß den Torso kurz mit einer Hand an, sodass der Körper leicht ins Schwanken geriet und dann sein Gleichgewicht verlor, bevor er zu Boden schlug und ebenso starr liegen blieb wie der Kopf.
Das war es gewesen.
Sie hatte den ersten Teil des Jobs erfüllt. Justine sah kein Blut, das aus der Wunde
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