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Harka der Sohn des Haeuptlings

Harka der Sohn des Haeuptlings

Titel: Harka der Sohn des Haeuptlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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gespannt.
    »Also stelle dir vor … ein Zauber, ein Geheimnis.«
    »Was für eins? Es gibt viele.«
    »Irgendeins, das du noch nicht aufgedeckt hast. Die weißen Männer besitzen es.«
    »Also gut, die weißen Männer besitzen es.« Harka spielte mit einem Grashalm, pflückte ihn und nahm ihn zwischen die Zähne.
    »Die weißen Männer besitzen es. Was machst du nun?«
    »Die weißen Männer sind unsere Feinde. Wenn sie einen Zauber besitzen, muß man ihnen den Zauber wegnehmen. Oder man muß einen stärkeren finden.«
    »Wer kann einem anderen einen Zauber wegnehmen?«
    »Nur wer den Zauber kennt.«
    »Wie lernt ein Mann einen Zauber kennen?«
    »Das ist immer gefährlich. Er muß ihn erproben.« »So ist es. Und nun will ich dir etwas sagen – aber ich sage dir nur das, was ich dir sagen will – und mehr sage ich dir nicht.«
    »Das ist wie ein Mann gesprochen.«
    »Hau!« bekräftigte Schwarzhaut Kraushaar noch einmal seinen eigenen Entschluß. »Ich will dir also etwas sagen, Nachtauge Wolfstöter! Du schleichst um ein Geheimnis herum mit Fragen und mit Spähaugen. Du wirst es nicht erfahren, niemals, denke ich. Laß ab! Hawandschita, unser Geheimnismann, weiß mehr und ist klüger als alle anderen Männer im Dorf, auch als dein Vater Mattotaupa.«
    Harka spuckte den Grashalm aus. »Solche Dinge, die du dir nur ausdenkst, brauchst du mir nicht zu erzählen, Schwarzhaut Kraushaar. Du warst sehr zornig, ja voll Haß gegen meinen Vater, als er das böse Zauberkorn in das Wasser warf. Ja, ich sage nichts anderes und lüge nicht, ich habe damals deine Augen gesehen. Aber dann hat Hawandschita deinen Vater befreit, und deshalb bewunderst du den alten Zaubermann.«
    »Harka – ist das nicht richtig und gut, daß ich ihn dafür bewundere? Aber ich wollte dir etwas ganz anderes erzählen. Rede mir nicht immer dazwischen, sonst verstumme ich, und du erfährst gar nichts. Also höre: Das gelbe Korn ist ein Zauberkorn. Aber nur die weißen Männer können damit zaubern, die roten nicht. Das ist es, und so ist es, es ist wahr! Mein Vater hat lange unter den weißen Männern gelebt, und er weiß es. Wenn die weißen Männer solche Zauberkörner in der Tasche haben, brauchen sie nur zu befehlen: Pferde! Essen! Trinken! Kleider! Schmuck! und schon wird ihnen wie von Geisterhand alles gebracht, was sie sich nur wünschen. Sie brauchen nicht zu jagen, nicht zu kochen, nicht Stoffe zu weben, nicht Leder zu gerben, nicht Pferde zu fangen. Für die Zauberkörner wird ihnen alles, alles fertig hingestellt, und sie brauchen nur zuzugreifen. Ist das ein großer Zauber?«
    »Ja.«
    »Also sage ich dir, daß die weißen Männer hier etwas besitzen, was wir ihnen wegnehmen müssen, oder wir müssen einen stärkeren Zauber finden. Aber das können wir nicht, wenn wir die Zauberkörner ins Wasser werfen. Hawandschita ist ein großer Geheimnismann. Er erforscht die Geheimnisse der weißen Männer und wird sie beherrschen. Er weiß, daß es nicht gut ist, auf den alten Geheimnissen zu brüten wie eine Drossel auf ihren Eiern. Man muß die neuen Geister beschwören. So. Nun bin ich fertig.«
    Harka schwieg sehr lange. »Es ist vieles richtig, was du sagst«, meinte er endlich, »aber irgendwo ist es auch ganz falsch. In der Kette deiner Worte sind viele schöne Muscheln, aber eine ist nicht gut. Ich weiß nur noch nicht welche.«
    »Sobald es dir eingefallen ist, sage es mir.«
    »Wenn ich es dir dann noch sagen will – ja.«
    Harka hatte durch Schwarzhaut Kraushaar Stoff genug zum Nachdenken erhalten, aber er war irgendwie verstimmt. Vielleicht, weil er jetzt wußte, daß er an Kraushaar, so lieb und lustig dieser auch war, doch nie einen Verbündeten gegen den Zaubermann finden würde.
    Gegen den Zaubermann. Als Harka diesen Gedanken gedacht hatte, erschrak er tief vor sich selbst. War es schon soweit mit ihm gekommen? Ob Hawandschita das wußte und seine Geister bereits hinter ihm her hetzte?
    Harka stand auf, und auch Kraushaar erhob sich. Die Jungen ritten heimwärts. Vom Fährtenlesen war keine Rede mehr. Harka hatte den Weg, den er mit Kraushaar geritten war, noch gut im Gedächtnis und führte ins Zeltdorf zurück. Schwarzhaut Kraushaar folgte ihm.
    Nach außen hin wurde kein Riß in der Freundschaft zwischen Harka und Kraushaar bemerkbar.
    Das Kleeblatt Harka – Harpstennah – Kraushaar war nach wie vor täglich beieinander zu sehen; auch bei den Spielen der Jungen Hunde hielten die drei untereinander zusammen.
    Das schien

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