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Harka der Sohn des Haeuptlings

Harka der Sohn des Haeuptlings

Titel: Harka der Sohn des Haeuptlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Zelten schon bemerken, wer kam.
    Die Kinder am Bach hörten auf zu spielen, als sie den Herankommenden entdeckten, und schauten aufmerksam nach dem Geheimnismann, der den großen Zauber für Nahrung und Frieden bewirkt hatte und nun aus der Einsamkeit zu den Zelten heimkehrte. Hawandschita kam nicht allein. Auf dem zweiten Pferd saß Schonka, auf dem dritten Schwarzhaut Kraushaar in Harkas Festkleidern, auf dem vierten ein großer Mann, der Schwarzhaut Kraushaar sehr ähnlich sah und auch solche zerschlissenen Kleider trug wie Kraushaar, als dieser zuerst ins Dorf gekommen war. Das fünfte Pferd führte Schonka ledig am Zügel.
    Der kleine Zug durchquerte ohne Mühe den Bach und lenkte zu dem Platz beim Beratungszelt. Dort stieg Hawandschita ab.
    Mattotaupa stand schon bereit, um ihn zu begrüßen. Auch Schonka, Kraushaar und sein Vater sprangen ab. Den Pferden wurden die Rutschen abgenommen, und Untschida kam mit Scheschoka. und Uinonah, um das Zauberzelt sofort aufzuschlagen.
    Harka war herbeigesprungen und bemächtigte sich des Pferdes, das Hawandschita geritten hatte, um es zur Herde zu bringen. Schonka war verblüfft, löste aber dann die Situation zu seinen Gunsten, indem er Harka auch die Zügel seines Reittiers und des ledigen Pferdes zuwarf, so, als ob der Junge verpflichtet sei, diese Pferde zu versorgen. Harka wiederum überwand seinen Ärger über Schonkas Verhalten und nutzte die Gelegenheit, um mit Schwarzhaut Kraushaar und dessen Vater zusammenzukommen, die ihre Reittiere ebenfalls zur Herde führen mußten.
    Schwarzhaut Kraushaar hatte sich verändert. Er mußte gut zu essen erhalten haben, denn seine Wangen hatten sich gerundet, und sein Körper sah nicht mehr wie ein Knochengerüst aus; Kraushaar war ein strammer Junge geworden. Seine großen beweglichen schwarzen Augen liefen rundum, und er lachte, so daß Harka die weißen Zähne sah. Kraushaar hatte auch schon viele Worte der Dakotasprache gelernt, und er plapperte sogleich los: »Ihr habt ein schönes Zeltdorf. Guter Platz, Bachwasser, und aus euren Zelten riecht es nach gebratenem Fleisch.«
    »Ja«, antwortete Harka vergnügt, »aber du sollst nicht nur essen, Schwarzhaut, sondern du sollst bei uns auch reiten lernen. Du hängst noch an deinem Pferd wie Lehm am Büffelrücken; man weiß nie, wird er klebenbleiben oder zur Unzeit herabfallen!«
    »Harka Steinhart, ich falle nicht herab. Ich sitze schief am Pferd, gewiß, wie eine Fliege, die nicht weiß, wo die Mitte vom Pferderücken ist. Ich rutsche hin und her, und die Beine tun mir weh, und wo man sitzt, tut mir auch weh. Aber mir gefällt das Reiten, und ich werde alles lernen, was du kannst; im Reiten schießen und auf der Seite vom Pferd hängen und unter dem Bauch vom Pferd durchrutschen … alles.«
    »Dann mußt du aber bald anfangen zu lernen, sonst wirst du alt wie Hawandschita, bis du das alles kannst! Und ich sage dir, du wirst manchen blauen Flecken davontragen!«
    »Harka Wolfstöter, und wenn ich werde blau ringsum wie der Himmel am Mittag und gequetscht und alt wie ein Geier mit dünnem Hals, aber ich werde am Pferd hängen und unter dem Bauch durchrutschen wie ein großer Krieger.«
    Harka lachte herzlich. »Kraushaar, du bist noch wie grünes Gras, das den Sommer nicht kennt. Ehe du dich unter dem Pferd durchschlängeln kannst, ohne herunterzufallen, mußt du erst einiges andere lernen. Aber ich will mit dir üben.«
    »Alle Tage üben, Harka. Aber jetzt komm – mein Vater erhält ein Zelt mit vielen Frauen – das ist gut, sehr gut, sie werden alle für den Vater und mich sorgen!«
    Harka schüttelte verwundert den Kopf. Hatte Hawandschita schon verfügt, wen Kraushaars Vater zur Frau nehmen sollte? Es gab ein Zelt im Dorf mit vielen Frauen, mit fünf Frauen ohne Mann: einer Großmutterwitwe, einer Mutterwitwe und deren drei Töchter. Der letzte Mann dieses Zeltes war im Kampf gegen die Pani gefallen. Das Zelt war gefürchtet, weil die Großmutter als von einem bösen Geist besessen galt. Darum hatte man die Frauen nach dem Tod des letzten Kriegers auch nicht auf die anderen Tipi verteilt, sondern die übrigen Familien gaben von ihrer Jagdbeute ab, um die fünf Frauen zu ernähren.
    »Ist dein Vater erfahren darin, viele Frauen zu haben?« fragte Harka, während er Kraushaar zeigte, wie man den Pferden die Fesseln an die Vorderfüße anlegte, so daß sie zwar ungehindert weiden, aber nicht ausbrechen konnten.
    »Mein Vater sehr erfahren! Alle schwarzen Männer erfahren.

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