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Harka der Sohn des Haeuptlings

Harka der Sohn des Haeuptlings

Titel: Harka der Sohn des Haeuptlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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nicht«, so beleidigte er seine Gastgeber, denen Zauberei Religion war. Sagte er »ich glaube daran«, so log er.
    »Zauber ist ein Geheimnis«, erklärte er schließlich. »Ge- heimnis aber ist nur, was man noch nicht weiß.«
    »Ist diese Waffe Zauber?«
    »Für die weißen Männer nicht. Sie wissen ganz genau, wie ein Mann sie herstellen kann und wie sie funktioniert.«
    »Dann brauchen die weißen Männer solche Waffen also nicht einzutauschen, sondern jeder kann sie selbst ma- chen?«
    »Nicht jeder. Ich zum Beispiel nicht.«
    »Also ist es doch ein Zauber?«
    »Aber nein, Junge, es handelt sich nur um eine besondere Geschicklichkeit, die nicht jeder besitzt. Aber jeder kann sie erlernen.«
    »Auch ein Dakota?«
    »Auch ein Dakota. Aber die Männer, die solche Waffen herstellen, tun ihr ganzes Leben lang nichts anderes.«
    »Sie müssen doch jagen, um zu essen.«
    »Das müssen sie nicht. Sie stellen die Waffe her, dafür bekommen sie ihre Nahrung von denen, die die Waffe brauchen.«
    »Also müssen die Männer, die die Waffen brauchen, sie eintauschen.«
    »Ja.«
    Harka betrachtete die Waffe nochmals lange, stillschwei- gend. Dabei schienen seine Gedanken weitergelaufen zu sein. »Und was denkst du über den Bärenzauber, Weitfliegender Vogel?«
    »Darüber kann ich nichts sagen, Junge. Ich glaube an einen anderen Geist als ihr.«
    »Ist dein Geist gut?«
    »Ja.«
    »Ist er groß?«
    »Ja.«
    »Ist er ein Geheimnis?«
    »Ja.«
    »Also muß es der gleiche Geist sein, denn zwei große Geheimnisse gibt es nicht.«
    »Du redest klug, Kind.«
    »Kann dein Geist zaubern?«
    »Ich kenne ihn nicht so genau. Er ist zu groß für mich.«
    »Was sagen eure Zaubermänner?«
    »Verschieden reden ihre Zungen.«
    »Wieso sagen sie Verschiedenes?«
    »Mit dir ist nicht so leicht fertig werden, Harka! Die einen sagen, Zauber oder Wunder – wie wir sagen – gab es nur in alter Zeit. Die anderen sagen, sie sind auch noch heute möglich. Die dritten aber denken, es habe nie einen Zauber gegeben, sondern alles sei natürlich zu erklären.«
    »Du bist ein Mann, Gelbbart, du mußt dir deine eigenen Gedanken machen und selbst wissen, was du für richtig hältst!«
    »Du bist zwar noch kein Mann, Harka, sondern nur ein Knabe. Aber sage mir, was du dir für Gedanken machst!«
    Harkas Wangen wurden heiß, aber er zögerte nicht zu antworten. »Es gibt das Große Geheimnis und viel kleinere Geheimnisse; es gibt einen Großen Geist und viele kleinere, und so gibt es großen Zauber und kleine Zaubereien. Manche Geheimnismänner sind stark und gebieten über größere Geheimnisse als andere. Manche Geheimnismänner verstehen es nicht so gut, mit den Geistern zu sprechen. Dann täuschen sie sich und andere, und die Krieger sind unzufrieden mit ihnen.«
    »Das ist interessant. Du hast mir aufrichtig geantwortet, Harka. Ich will dir darum Auskunft geben, wenn du noch weitere Fragen an mich richten willst!«
    »Ich habe noch eine Frage. Glaubst du, daß der Bärengeist uns verfolgt, weil wir sein Bild zerschossen haben?«
    »Aber das ist heller Unsinn, Junge, wer sagt denn das?«
    »Die Frauen im Zelt von Fremde Muschel.«
    »Man muß sie zum Schweigen bringen!«
    »Hau!« bestätigte Fremde Muschel und erhob sich, um in sein Zelt hinüberzugehen und wieder einmal für Ordnung zu sorgen.
    Der Weiße und Harka konnten sich nun nur noch schwer verständigen. Sie saßen am Feuer beieinander und warteten. Harka wurde nicht so leicht müde.
    Draußen ging ein wahrer Wolkenbruch nieder. Auch um die Zeit der Morgendämmerung wollte es nicht hell werden, da die Wolken noch den Himmel verdüsterten.
    Endlich kam der Bruder Mattotaupas ins Tipi. Er konnte nichts Neues berichten. Der Bär hatte sich nicht mehr sehen lassen. Nach dem langen und heftigen Regen aber war es auch unmöglich, seine Fährte zu finden und ihn zu verfolgen. Es blieb nichts übrig, als besonders wachsam zu bleiben. Die drei Krieger, die ostwärts gesucht hatten, waren ohne Ergebnis zurückgekommen.
    Der Regen hörte am Vormittag auf. Verschiedene Winde trieben die Wolken in verschiedener Schnelligkeit und Richtung über den Himmel. Hin und wieder leuchtete blaues Firmament auf, und Sonnenstrahlen, rasch freigegeben und rasch wieder verdeckt, trafen die Wiese und das Gehölz, wo Gräser und Blätter in tropfender Nässe schillerten. Ein Teil der Männer hatte sich zusammengefunden, um den Bärentanz zur Versöhnung des Bärengeistes wieder aufzunehmen. Da man das Raubtier in der

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