Harka der Sohn des Haeuptlings
Vogel keine Sondergeheimnisse besitzt, daß nur sein Auge tiefer in die Menschen hineinschaut und seine Hände geschickter sind als die anderer Menschen. Das glaubt Hawandschita uns nicht. Er denkt, daß Weitfliegender Vogel ein weißer Mann ist und darum ein Feind und daß er Hawandschita sein Geheimnis nicht preisgeben will – darum ist er für Hawandschita nicht nur ein Feind, sondern auch unnütz. Also mußten wir gehen, wenn nicht noch ein großer Streit in den Zelten entstehen sollte. Hau.«
Als Langspeer geendet hatte, wartete Harka darauf, was Mattotaupa wohl antworten würde. Der Junge schaute auf den Boden, auf ein paar Sandkörner und kleine Steinchen, er beobachtete ein Gras, wie es sich bewegte, und hörte das Schnauben seines Pferdes. Aber er dachte dabei nichts. Er gebot allen seinen eigenen Gedanken Halt, bis Mattotaupa gesprochen haben würde.
Auch der Häuptling mußte das, was er gehört hatte, in sich verarbeiten. Dann erst ergriff er das Wort.
»Ist Hawandschita nicht auf dem rechten Weg? Er haßt diejenigen weißen Männer, die dem roten Mann das Land rauben. Räuber hasse auch ich. Er will die Geheimnisse der weißen Männer kennenlernen. Das ist gut. Aber er hat sich geirrt, als er glaubte, daß Weitfliegender Vogel solche Geheimnisse besitzt. Wir werden ihm erklären, daß er sich geirrt hat. Er irrt sich auch, wenn er glaubt, Weitfliegenden Vogel hassen zu müssen. Weitfliegender Vogel ist ein gerechter und kunstfertiger Mann, und er soll unser Bruder bleiben.«
»Ich bleibe euer Bruder, Häuptling. Aber auch Brüder müssen manchmal verschiedene Wege gehen. Wir haben gesagt, was wir glaubten sagen zu müssen. Nun laß uns Abschied nehmen. In den Zelten der Bärenbande wartet man jetzt auf dich! Du wirst wohl bemerkt haben, daß dich bei deiner Rückkehr von der ersten ergebnislosen Suche nach dem Bären kaum ein Mann aus dem Dorf begrüßte. Damals lag der Schatten von Hawandschitas düsteren Prophezeiungen noch über dir, und deine Freundschaft mit uns war nicht gut angesehen. Jetzt hast du den Bären erlegt und die Unkenrufe des alten Zauberers damit widerlegt. Wir aber gehen ohne Streit, in Ruhe und gutem Einvernehmen mit dir. Die Luft ist wieder klar, und du wirst im Dorf einen großartigen Empfang erleben.«
Mattotaupa war nicht glücklich über den Beschluß seiner Gäste und nicht zufrieden damit, daß die Feindschaft Hawandschitas Mattotaupas Freunde vertreiben konnte. Aber er fühlte sich nicht stark genug, dies zu ändern. Als er die Pfeife zu Ende geraucht hatte, erhoben sich alle, und man nahm Abschied voneinander. Gelbbart und Langspeer drückten Harka besonders herzlich die Hand.
Dann schwangen sich die vier auf die Pferde. Weitfliegender Vogel und Langspeer ritten in gemächlichem Tempo weiter ostwärts.
Mattotaupa und Harka trieben ihre Tiere zu einem lebhafteren Galopp als zuvor in Richtung der Zelte. Es spielte zwar keine Rolle, ob sie eine Stunde früher oder später ins Dorf zurückkehrten. Aber sie hatten beide die Empfindung, daß sie sich so schnell wie möglich von irgend etwas entfernen wollten, was sich an dem Rastplatz wie ein böser Geist unsichtbar erhoben hatte.
Das Gehölz am Pferdebach, bis dahin nur schwach wie ein Schattenfleck in der Prärie sichtbar, wuchs jetzt vor den Augen der Heimkehrenden schnell an und zeigte seine Umrisse und seinen Charakter deutlicher. Schon waren auch kleine Punkte wahrzunehmen, die sich von dem Gehölz ablösten und über die Wiesen auf die Heimkehrenden zubewegte. Es war eine ganze Schar solcher beweglicher Punkte, die sich schnell vergrößerten, da man aufeinanderzukam, und der dazwischenliegende Raum von beiden Seiten schwand, als ob er weggefressen werde. Schon vernahm das feine Gehör der beiden Indianer Hufschlag und den ausklingenden Laut von einem fernen Geschrei. Die beiden Pferde gingen ganz von selbst in einen scharfen Galopp über, da sie die Herde witterten und das Gehölz kannten.
»Hi-je-he! Hi-je-he!«
Jetzt waren die Rufe zu verstehen, und Harka erkannte schon Tschetan und Alte Antilope, die allen anderen voran den zurückkehrenden Jägern entgegensprengten. Ihnen folgten die Jungen Hunde, die Burschen vom Bund der Roten Feder und nahezu alle Krieger; kaum einer schien zu fehlen. Das Geschrei schwoll an, es erfüllte den leicht dahinwehenden Wind mit seinen Schwingungen. Endlich mußten Mattotaupa und Harka ihr Tempo mäßigen, denn sie waren von der Schar galoppierender, waffenschwingender,
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