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Harka der Sohn des Haeuptlings

Harka der Sohn des Haeuptlings

Titel: Harka der Sohn des Haeuptlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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gebräuntes, von Wind und Wetter wie Leder gegerbtes Gesicht war von rötlich-blondem Haupthaar umrahmt, das bis um die Ohren herabwuchs; die Ohren wirkten sonderbar, da das Läppchen angewachsen war. Das Gesicht war bartlos, der Mund breit, aber die Lippen schmal, die Nase war gebogen. Er hatte blaue Augen; sie leuchteten, fast stachen sie unter den buschigen Brauen hervor.
    In jeder Hand hielt der Weiße ein Mazzawaken. Er hielt die doppelläufigen Büchsen in die Höhe, so daß die Abendsonnenstrahlen die Läufe spiegeln ließen.
    »Krieger der Dakota, Häuptling Mattotaupa, großer Häuptling Tatanka-yotanka!« rief er laut, volltönend in der Sprache der Dakota, wenn auch mit einem sehr fremdartigen Akzent, so daß Harka ihn nur mit Mühe verstehen konnte. »Hier diese Feuerwaffen, neu, prächtig, einen Grizzly tötend mit einem Schuß – Waffen, wie sie bei den Zelten der Bärenbande noch nie gesehen wurden – diese doppelläufigen Büchsen, Hinterlader, alles beste Konstruktion – sie schenke ich dir, Häuptling Mattotaupa, dir, großer Bärenjäger, und deinem Sohn Harka! Ich habe gesprochen, hau!«
    Harka war einen Augenblick zumute, als ob er nicht mehr sehen, nicht mehr hören, nicht mehr denken könne. Ein Mazzawaken – in seiner Hand, ihm zu eigen, als Geschenk – war das Wahrheit, war das Wirklichkeit? Er wußte kaum noch, wie es zuging, daß ihm der Weiße die eine der beiden Büchsen reichte, daß er sie nahm, in der Hand hielt, ganz fest in der Hand hielt. Die Außenwelt, alles rings um ihn versank. Er fühlte nur noch die Waffe, und er schaute Bilder nur noch von innen her; den Häuptling der Pani, der auf die Mutter schoß – sich selbst schaute er, wie er das Mazzawaken des Pani während des Kampfes erbeutete, und die Trophäenstange von Hawandschita schaute er, an der das geopferte Mazzawaken zwischen Tierhäuten hing
    Mazzawaken, Mazzawaken! Dies, was Harka jetzt fest in der Hand hielt, war eine »Büchse«, hatte der weiße Mann gesagt. Sie war stärker als die Flinte des Weitfliegenden Vogel, man konnte einen Bären damit töten. Sie war neuer und viel schöner als das alte Geheimniseisen, das an Hawandschitas Trophäenstange baumelte. Harka besaß diese Waffe und würde sie nie mehr fortgeben.
    Unwillkürlich untersuchten Harkas Hände Schloß und Abzug. Wie aus einem Nebel der Träume auftauchend, hörte er ein rollendes, im Unterton auf irgendeine Weise aufregendes und unheimliches Lachen.
    »Nun seht euch den Jungen an! Soeben hat er eine Büchse erhalten, und schon weiß er damit umzugehen! Komm her, junger Bärenjäger, du Tausendsassa, du bekommst Munition, und dann gibst du den ersten Schuß ab. Den ersten Schuß gibst du ab!«
    Es war, als ob die Krieger rings alle ein Stückchen zurückrückten. Harka fing leise gesprochene Worte des Erstaunens auf. Er scheute sich, auf den Vater oder nach den Geheimnismännern zu sehen.
    Vielleicht war es nicht richtig, daß er, Harka, ein Kind, den ersten Schuß abgab. Vielleicht hatte der Weiße darüber überhaupt nicht zu entscheiden. Aber in Harka brannte der verzehrende Wunsch zu schießen. Den Knall wollte er hören und den Einschlag sehen. Nach diesem ersten Schuß aber wollte er künftig noch viele tausend Schüsse abgeben, die alle ihr Ziel treffen sollten.
    Der Weiße kümmerte sich nicht um die anwesenden Autoritäten. Er faßte den Knaben an der Schulter und veranlaßte ihn so kurzerhand, durch das Gehölz und auf die Prärie mitzukommen. Harka hörte dabei viele Füße neben sich und hinter sich laufen. Er hatte das Gefühl, daß das ganze Zeltdorf auf dem Weg war, um den ersten Schuß mitzuerleben, den ein Mitglied der Bärenbande aus einem Geheimniseisen abgeben sollte. Dieser Schuß aber gehörte Harka; es war entschieden.
    Eine allgemeine Unruhe verbreitete sich. Die Hunde liefen umher und jaulten auf, die Pferde rührten sich, die Männer, Burschen und Jungen flüsterten im Gehen flüchtig miteinander. Dazwischen ertönten kurze Rufe.
    Harka sah sich jetzt nach dem Vater um und erkannte ihn rechter Hand unmittelbar neben sich. Links ging der große weiße Mann mit den rötlichen Haaren. Der Knabe glaubte einen Blick in seinem Nacken zu spüren und wendete rasch den Kopf. Er begegnete den Augen Hawandschitas und Tatanka-yotankas. Auch diese hatten sich angeschlossen. Eine solche Gewalt hatte der weiße Mann mit den Mazzawaken.
    Die Bärenbande und ihre Gäste erreichten durch das Gehölz die freie Prärie. Der Himmel

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