Harry Potter - Gesamtausgabe
Lärm einer Feier. Harry stockte der Atem, als einige bei seinem Anblick zu schreien begannen; mehrere Hände zerrten ihn in den Raum.
»Wir haben gewonnen!«, brüllte Ron, der plötzlich herbeihüpfte und Harry den silbernen Pokal entgegenschwang. »Wir haben gewonnen! Vierhundertfünfzig zu hundertvierzig! Wir haben gewonnen!«
Harry sah sich um; da kam Ginny auf ihn zugerannt; mit hartem, glühendem Gesicht warf sie die Arme um ihn. Und ohne nachzudenken, ohne es zu planen, ohne sich um die Tatsache zu kümmern, dass fünfzig Leute zusahen, küsste Harry sie.
Nach einigen langen Augenblicken – oder vielleicht auch nach einer halben Stunde – oder möglicherweise nach einigen sonnigen Tagen – lösten sie sich voneinander. Im Raum war es sehr still geworden. Dann pfiffen einige Leute anerkennend und nervöses Gekicher brach aus. Harry sah über Ginnys Kopf hinweg, dass Dean Thomas ein zerbrochenes Glas in der Hand hielt und dass Romilda Vane den Eindruck machte, als würde sie gleich etwas durch die Gegend werfen. Hermine strahlte, aber Harrys Augen suchten Ron. Endlich fand er ihn, er hielt immer noch den Pokal in den Händen und machte eine Miene, ganz als ob man ihm gerade ein Schlagholz über den Schädel gezogen hätte. Für den Bruchteil einer Sekunde sahen sie sich an, dann zuckte Ron kaum merklich mit dem Kopf, was Harry als etwas deutete wie: »Also – wenn es sein muss.«
Die Kreatur in seiner Brust brüllte triumphierend, Harry grinste zu Ginny hinunter und deutete wortlos zum Porträtloch. Ein langer Spaziergang über das Gelände schien angebracht, bei dem sie – wenn sie Zeit hatten – vielleicht das Spiel besprechen konnten.
Die belauschte Seherin
Die Tatsache, dass Harry Potter mit Ginny Weasley ging, schien sehr viele Leute zu interessieren, hauptsächlich Mädchen; allerdings stellte Harry während der nächsten Wochen fest, dass Klatsch ihm seit neustem erfreulicherweise nichts mehr ausmachte. Schließlich war es zur Abwechslung einmal ganz angenehm, wenn über ihn wegen einer Sache geredet wurde, die ihn so glücklich machte, wie er es seit ewigen Zeiten nicht mehr gewesen war, und nicht weil er in irgendwelche schrecklichen schwarzmagischen Geschehnisse verstrickt war.
»Eigentlich sollten die sich lieber über was anderes den Mund fusselig reden«, sagte Ginny, die auf dem Boden des Gemeinschaftsraums saß, sich gegen Harrys Beine lehnte und den Tagespropheten las. »Drei Dementorenangriffe in einer Woche, und Romilda Vane fällt nichts Besseres ein, als mich zu fragen, ob es stimmt, dass du ein Hippogreif-Tattoo auf der Brust hast.«
Ron und Hermine lachten lauthals. Harry beachtete sie nicht.
»Was hast du ihr gesagt?«
»Ich hab ihr gesagt, dass es ein Ungarischer Hornschwanz ist«, antwortete Ginny und blätterte lässig eine Seite der Zeitung um. »Das kommt machomäßiger.«
»Danke«, sagte Harry grinsend. »Und hast du ihr auch erzählt, was Ron hat?«
»Ja, einen Minimuff, aber ich hab nicht verraten, wo.«
Ron blickte finster, während Hermine sich vor Lachen kringelte.
»Passt bloß auf«, sagte er und deutete warnend auf Harry und Ginny. »Ich hab euch meine Erlaubnis gegeben, aber das heißt nicht, dass ich sie nicht wieder zurückziehen –«
»›Deine Erlaubnis‹«, spottete Ginny. »Seit wann gibst du mir die Erlaubnis für irgendwas? Außerdem hast du selbst gesagt, Harry ist dir lieber als Michael oder Dean.«
»Ja, stimmt«, sagte Ron widerwillig. »Und solange ihr nicht anfangt, vor allen Leuten rumzuknutschen –«
»Du elender Heuchler! Was war denn mit dir und Lavender, ihr habt doch überall rumgeschwänzelt wie zwei Aale!«, entgegnete Ginny.
Aber Rons Duldsamkeit wurde nicht allzu sehr auf die Probe gestellt, denn als es Juni wurde, hatten Harry und Ginny immer seltener Gelegenheit, sich zu treffen. Ginnys ZAGs rückten näher und deshalb musste sie stundenlang bis in die Nacht hinein lernen. An einem dieser Abende, an denen Ginny sich in die Bibliothek verdrückt hatte, saß Harry am Fenster im Gemeinschaftsraum, wo er eigentlich seine Hausaufgabe für Kräuterkunde erledigen wollte, aber in Wirklichkeit noch einmal eine besonders glückliche Stunde durchlebte, die er mit Ginny um die Mittagszeit unten am See verbracht hatte, als Hermine sich mit einem unangenehm entschlossenen Gesichtsausdruck auf den Platz zwischen ihm und Ron fallen ließ.
»Ich will mit dir reden, Harry.«
»Worüber?«, fragte Harry argwöhnisch. Erst tags zuvor
Weitere Kostenlose Bücher