Harry Potter - Gesamtausgabe
allein mit Professor McGonagall, die sie immer noch wie ein Adler auf Beuteflug beäugte.
»Sie gehen in den Krankenflügel, Weasley, Sie bluten ja.«
»Nicht schlimm«, sagte Ron und fuhr hastig mit dem Ärmel über den Riss an seiner Augenbraue. »Professor, ich wollte eigentlich zusehen, wie meine Schwester den Sprechenden Hut aufsetzt –«
»Die Auswahlfeier ist vorbei«, sagte Professor McGonagall. »Ihre Schwester kommt ebenfalls nach Gryffindor.«
»Oh, gut«, sagte Ron.
»Und da wir gerade von Gryffindor sprechen …«, sagte Professor McGonagall scharf, doch Harry unterbrach sie. »Professor, als wir den Wagen nahmen, hatte das Schuljahr noch gar nicht begonnen, also … also sollten Gryffindor eigentlich keine Punkte abgezogen werden, oder?«, schloss er und blickte sie gespannt an.
Professor McGonagall versetzte ihm einen durchdringenden Blick, doch er war sich sicher, den Anflug eines Lächelns zu erkennen. Jedenfalls sah ihr Mund nicht mehr ganz so schmal aus.
»Ich werde Gryffindor keine Punkte abziehen«, sagte sie und Harry wurde es ganz leicht ums Herz. »Aber ihr werdet beide Strafarbeiten bekommen.«
Das war besser, als Harry befürchtet hatte. Dumbledore wollte den Dursleys schreiben – na wenn schon. Die würden gewiss nur enttäuscht darüber sein, dass die Peitschende Weide ihn nicht zermalmt hatte.
Professor McGonagall hob abermals ihren Zauberstab und richtete ihn auf Snapes Schreibtisch. Mit einem leisen Knall erschienen ein Teller mit belegten Broten, zwei silberne Becher und ein Krug mit eisgekühltem Kürbissaft.
»Ihr esst hier und geht dann gleich in euren Schlafsaal«, sagte sie. »Ich muss zurück zur Feier.«
Als sich die Tür hinter ihr geschlossen hatte, kam von Ron ein langer und lauter Pfiff.
»Ich dachte, es wäre aus mit uns«, sagte er und griff nach einem Brot.
»Ich auch«, sagte Harry und bediente sich ebenfalls.
»Aber wir hatten doch wirklich unglaubliches Pech«, schmatzte Ron durch einen Mund voll Hühnchen und Schinken. »Fred und George müssen dieses Auto fünf oder sechs Mal geflogen haben und kein Muggel hat die je gesehen.« Er schluckte und nahm einen weiteren gewaltigen Bissen. »Warum sind wir nicht durch die Absperrung gekommen?«
Harry zuckte die Achseln. »Von jetzt an müssen wir jedenfalls aufpassen«, sagte er und nahm einen kräftigen Schluck Kürbissaft. »Wünschte, wir könnten hoch zur Feier …«
»Sie wollte nicht, dass wir mit der Geschichte angeben«, sagte Ron weise. »Will nicht, dass die andern glauben, es sei eine tolle Sache, mit einem fliegenden Auto aufzutauchen.«
Als sie so viele Brote verspeist hatten, wie sie konnten (der Teller füllte sich immer wieder nach), standen sie auf und verließen das Büro. Sie gingen den vertrauten Weg zum Turm der Gryffindors hinauf. Im Schloss war es ruhig; die Feier schien vorüber zu sein. Sie gingen an murmelnden Porträts und quietschenden Rüstungen vorbei und stiegen die schmalen Steintreppen empor. Endlich erreichten sie den Korridor, an dessen Ende der geheime Eingang zum Gryffindor-Turm versteckt war – hinter dem Ölgemälde einer sehr fetten Dame in einem rosa Seidenkleid.
»Passwort?«, fragte sie, als sie näher kamen.
»Ähm –«, sagte Harry.
Sie kannten das Passwort für das neue Schuljahr nicht, weil sie noch keinen Vertrauensschüler der Gryffindors getroffen hatten. Doch fast im gleichen Moment nahte auch schon Hilfe; hinter sich hörten sie Fußgetrappel, und als sie sich umdrehten, sahen sie Hermine auf sie zurennen.
»Da seid ihr ja! Wo wart ihr denn? Es gab die lächerlichsten Gerüchte – jemand meinte, ihr seid rausgeflogen, weil ihr ein fliegendes Auto geschrottet habt.«
»Nun, wir sind nicht rausgeflogen«, versicherte ihr Harry.
»Sagt bloß, ihr seid tatsächlich hergeflogen?«, sagte Hermine und klang dabei fast so streng wie Professor McGonagall.
»Spar dir den Vortrag«, sagte Ron unwirsch, »und sag uns das neue Passwort.«
»Es ist ›Bartvogel‹«, sagte Hermine ungeduldig, »aber darum geht’s jetzt nicht –«
Sie wurde jedoch unterbrochen, denn das Porträt der fetten Dame klappte zur Seite und plötzlich brach ein Beifallssturm los. Es schien, als wären alle Gryffindors noch wach: Dicht gedrängt standen sie in ihrem kreisrunden Gemeinschaftsraum, auf Tischen und knuddeligen Sesseln verteilt, und warteten auf ihre Ankunft. Arme streckten sich durch das Porträtloch, um Harry und Ron hineinzuziehen, und Hermine musste hinter ihnen
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