Harry Potter und der Halbblutprinz
seinen Reiseumhang ein wenig enger um den Hals und sagte: »Hier lang.«
Er ging in raschem Tempo los, vorbei an einem leeren Gasthaus und einigen Häusern. Die Uhr einer nahen Kirche zeigte fast Mitternacht.
»Übrigens, Harry«, sagte Dumbledore. »Deine Narbe … hat sie in letzter Zeit wehgetan?«
Harry fuhr sich unwillkürlich mit der Hand an die Stirn und rieb das blitzförmige Mal.
»Nein«, sagte er, »und ich habe mich schon darüber gewundert. Ich dachte, sie würde die ganze Zeit brennen, weil Voldemort jetzt wieder so mächtig ist.«
Er blickte zu Dumbledore hoch und sah den zufriedenen Ausdruck auf seinem Gesicht.
»Ich dagegen habe etwas anderes gedacht«, sagte Dumbledore. »Lord Voldemort hat endlich erkannt, dass du gefährlichen Zugang zu seinen Gedanken und Gefühlen hattest. Offenbar setzt er jetzt Okklumentik gegen dich ein.«
»Mir soll’s recht sein«, sagte Harry, der weder die beunruhigenden Träume noch die erschreckend blitzartigen Einsichten in Voldemorts Geist vermisste.
Sie bogen um eine Ecke und kamen an einer Telefonzelle und einer überdachten Bushaltestelle vorbei. Harry sah wieder zu Dumbledore hinüber.
»Professor?«
»Harry?«
»Ähm – wo sind wir eigentlich?«
»Dies, Harry, ist das bezaubernde Dorf Budleigh Babberton.«
»Und was machen wir hier?«
»Ach ja, natürlich, das habe ich dir noch gar nicht erzählt«, sagte Dumbledore. »Nun, ich weiß nicht mehr, wie oft ich das in den letzten Jahren gesagt habe, aber unser Kollegium hat wieder einmal einen Lehrer zu wenig. Wir sind hier, um einen alten Kollegen von mir zu überreden, seinen Ruhestand zu unterbrechen und nach Hogwarts zurückzukehren.«
»Wie kann ich dabei helfen, Sir?«
»Oh, ich denke, wir werden dich schon gebrauchen können«, sagte Dumbledore vage. »Hier links, Harry.«
Sie gingen nun durch eine steile, enge und von Häusern gesäumte Straße. Alle Fenster waren dunkel. Die seltsame Kälte, die seit zwei Wochen über dem Ligusterweg gelegen hatte, herrschte auch hier. Bei dem Gedanken an Dementoren warf Harry einen Blick über die Schulter und umklammerte zur Beruhigung den Zauberstab in seiner Tasche.
»Professor, warum konnten wir nicht einfach direkt ins Haus Ihres alten Kollegen apparieren?«
»Weil das genauso unhöflich wäre, wie die Haustür einzutreten«, sagte Dumbledore. »Es ist ein Gebot der Höflichkeit, dass wir unseren Zauberergefährten die Möglichkeit geben, uns den Zutritt zu verweigern. Die meisten Zaubererwohnungen sind sowieso magisch vor unerwünschten Apparierern geschützt. In Hogwarts, beispielsweise –«
»– kann man in den Gebäuden und auf dem Gelände nirgendwo apparieren«, sagte Harry rasch. »Hat mir Hermine Granger erzählt.«
»Und sie hat völlig Recht. Wir biegen wieder links ab.«
Die Kirchturmuhr hinter ihnen schlug Mitternacht. Harry fragte sich, warum Dumbledore es nicht für unhöflich hielt, seinen alten Kollegen so spät noch aufzusuchen, doch nun, da sie gerade richtig im Gespräch waren, hatte er dringendere Fragen zu stellen.
»Sir, ich hab im Tagespropheten gelesen, dass Fudge entlassen wurde …«
»Richtig«, sagte Dumbledore und bog jetzt in eine steil ansteigende Seitenstraße ein. »Er wurde, wie du sicher auch gelesen hast, durch Rufus Scrimgeour ersetzt, den vormaligen Leiter des Aurorenbüros.«
»Ist er … glauben Sie, dass er gut ist?«, fragte Harry.
»Eine interessante Frage«, erwiderte Dumbledore. »Er ist fähig, gewiss. Eine entschlossenere und stärkere Persönlichkeit als Cornelius.«
»Ja, aber ich meinte –«
»Ich weiß, was du meintest. Rufus ist ein Mann der Tat, und da er fast sein ganzes Berufsleben lang gegen schwarze Magier gekämpft hat, unterschätzt er Lord Voldemort nicht.«
Harry wartete, aber Dumbledore sagte nichts über den Konflikt mit Scrimgeour, von dem der Tagesprophet berichtet hatte, und er hatte keine Lust, das Thema weiterzuverfolgen, also wechselte er es.
»Und … Sir … ich hab auch von Madam Bones gelesen.«
»Ja«, sagte Dumbledore leise. »Ein schrecklicher Verlust. Sie war eine großartige Hexe. Jetzt hier hinauf, glaube ich – autsch.«
Er hatte mit seiner verletzten Hand nach oben gedeutet.
»Professor, was ist mit Ihrer –?«
»Ich habe jetzt keine Zeit, das zu erklären«, sagte Dumbledore. »Es ist eine spannende Geschichte, ich möchte ihr gerecht werden.«
Er lächelte Harry zu, der verstand, dass er damit keine Abfuhr erhalten hatte und weitere Fragen
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