Watersong - Sternenlied (German Edition)
PROLOG
Unser
T rotz der Nähe des salzig duftenden Meeres roch Thea das Blut, das an ihr klebte. Mit jedem Atemzug erfüllte sie der Geruch mit einem vertrauten Hunger, der sie bis in ihre Träume hinein verfolgte. Aber nun erfüllte er sie auch mit Ekel und hinterließ einen schrecklichen Geschmack in ihrem Mund. Denn diesmal wusste sie, woher das Blut kam.
» Ist es vollbracht? « , fragte Thea. Sie stand an der felsigen Küste und starrte auf die See hinaus, ihrer Schwester den Rücken zugekehrt.
» Ja, und das weißt du genau « , sagte Penn. Obwohl sie wütend war, klang ihre Stimme immer noch samtweich und hatte ein verführerisches Timbre, das sie nie ganz abstellen konnte. » Aber dir haben wir das nicht zu verdanken. «
Thea warf Penn einen Seitenblick zu. Sogar im trüben Mondlicht schimmerte Penns schwarzes Haar und auch ihre gebräunte Haut schien von innen heraus zu leuchten. So kurz nach ihrer Mahlzeit wirkte sie sogar noch schöner als ein paar Stunden zuvor.
Einige kleine Blutspritzer befleckten Penns Kleidung, aber sie hatte eigentlich kaum etwas abbekommen. Nur ihr rechter Arm war bis zum Ellbogen scharlachrot gefärbt.
Theas Magen hob sich vor Hunger und Ekel und sie wandte sich wieder ab.
» Thea. « Seufzend kam Penn auf sie zu. » Es musste sein, das weißt du doch. «
Thea schwieg einen Augenblick lang und lauschte dem Lied, das der Ozean für sie sang. Die Wassermelodie rief nach ihr.
» Ich weiß « , sagte Thea schließlich und hoffte, dass ihre Stimme ihre wahren Gefühle nicht verriet. » Aber das Timing war schlecht. Wir hätten noch warten sollen. «
» Ich konnte nicht mehr warten « , beteuerte Penn, aber Thea wusste nicht, ob das der Wahrheit entsprach. Doch Penn hatte ihre Entscheidung getroffen, und Penn bekam immer, was sie wollte.
» Wir haben nicht mehr viel Zeit. « Thea deutete auf den beinahe vollen Mond, der über ihnen glänzte, und sah dann Penn an.
» Ich weiß. Aber ich habe dir ja gesagt, dass ich jemanden im Auge habe. « Penn lächelte strahlend und zeigte dabei ihre rasiermesserscharfen Zähne. » Und es wird nicht mehr lange dauern, bis sie unser ist. «
EINS
Nächtlicher Schwimmausflug
D er Motor gab ein bizarres Gurgeln von sich, als hauche ein Roboterlama seinen letzten Atem aus. Es folgte ein unschuldiges Klick-Klack. Dann herrschte Schweigen. Gemma drehte den Schlüssel noch einmal schwungvoll im Zündschloss, als könne sie dem alten Chevy so neues Leben einhauchen, aber das Auto gab nun nicht mal mehr ein Gurgeln von sich. Das Lama war verendet.
» Das darf doch wohl nicht wahr sein « , stöhnte Gemma und fluchte halblaut.
Sie hatte geschuftet wie ein Pferd, um dieses Auto zu kaufen. Da sie täglich stundenlang trainierte und außerdem noch Hausaufgaben zu machen hatte, blieb ihr nur wenig Zeit für einen Nebenjob. Also war ihr nichts anderes übrig geblieben, als auf die schrecklichen Tennenmeyer-Jungs aufzupassen. Sie hatten ihr Kaugummi ins Haar geklebt und ihren Lieblingspulli in Wäschebleiche getaucht.
Aber sie hatte durchgehalten. Gemma war finster entschlossen gewesen, ab ihrem sechzehnten Geburtstag ein Auto zu besitzen, und dafür war sie sogar bereit gewesen, sich von den Tennenmeyers foltern zu lassen. Ihre ältere Schwester Harper hatte das alte Auto ihres Vaters übernommen und ihr angeboten, sie dürfe es benutzen. Aber Gemma hatte abgelehnt.
Sie brauchte hauptsächlich deshalb ein eigenes Auto, weil weder Harper noch ihr Dad besonders begeistert davon waren, dass sie spätabends in der Anthemusa Bay schwamm. Sie wohnten nicht weit von der Bucht entfernt, aber es war nicht die Entfernung, die ihre Familie störte. Sie waren dagegen, dass Gemma so spät abends schwamm, aber genau das war es, wonach sie sich sehnte.
Dort draußen unter den Sternen schien das Wasser sich bis in die Unendlichkeit zu erstrecken. Die Bucht ging in das Meer über, und das Meer in den Himmel, und alles verschwamm zu einer einzigen, endlosen Schleife, in der Gemma zu schweben schien. Nachts hatte die Bucht etwas Magisches an sich aber das schien ihre Familie nicht zu begreifen.
Gemma drehte den Zündschlüssel noch einmal im Schloss, hörte aber nur noch einmal das hohle Klicken. Seufzend beugte sie sich vor und starrte auf den mondhellen Himmel hinter der zerkratzten Windschutzscheibe. Es war schon spät, und selbst wenn sie jetzt sofort loslief, würde sie nicht vor Mitternacht von ihrem Schwimmausflug zurückkehren.
Das wäre nicht besonders
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