Harry Potter und der Orden des Phönix
wollte.
Dumbledore ließ die Hände sinken und betrachtete Harry durch seine Halbmondbrille.
»Es ist an der Zeit«, sagte er, »dass ich dir erzähle, was ich dir schon vor fünf Jahren hätte erzählen sollen, Harry. Bitte setz dich. Ich werde dir alles sagen. Ich bitte nur um ein wenig Geduld. Du wirst die Gelegenheit bekommen, deine Wut an mir auszulassen – zu tun, was immer du willst –, sobald ich geendet habe. Ich werde dich nicht aufhalten.«
Harry sah ihn einen Moment lang finster an, dann warf er sich wieder auf den Stuhl gegenüber von Dumbledore und wartete.
Dumbledore starrte für einen Augenblick durch das Fenster auf das sonnenbeschienene Gelände, dann blickte er wieder zu Harry und sagte: »Vor fünf Jahren bist du in Hogwarts angekommen, Harry, sicher und heil, wie ich es geplant und beabsichtigt hatte. Nun – nicht ganz heil. Du hattest gelitten. Ich wusste, dass du leiden würdest, als ich dich vor der Tür deiner Tante und deines Onkels ablegte. Ich wusste, dass ich dich zu zehn dunklen und schwierigen Jahren verurteilte.«
Er hielt inne. Harry sagte nichts.
»Du könntest fragen – und mit guten Gründen –, warum es so sein musste. Warum hätte nicht eine Zaubererfamilie dich aufnehmen können? Viele hätten dies nur zu gern getan, hätten es als Ehre empfunden und sich gefreut, dich als Sohn aufzuziehen.
Meine Antwort lautet, dass es am wichtigsten für mich war, dein Leben zu erhalten. Du warst in größerer Gefahr, als vielleicht überhaupt jemandem außer mir bewusst war. Voldemort war Stunden zuvor besiegt worden, doch seine Anhänger – und viele von ihnen sind fast so schrecklich wie er – waren immer noch auf freiem Fuß, zornig, verzweifelt und gewalttätig. Und ich hatte meine Entscheidung mit Blick auf die kommenden Jahre zu treffen. Glaubte ich, dass Voldemort für immer verschwunden war? Nein. Ich wusste nicht, ob es zehn, zwanzig oder fünfzig Jahre dauern würde, bis er zurückkehrte, aber ich war sicher, dass er es tun würde, und wie ich ihn nun einmal kannte, war ich mir auch sicher, dass er nicht ruhen würde, bis er dich getötet hatte.
Ich wusste, dass Voldemorts Kenntnisse der Magie vielleicht umfassender sind als die jedes lebenden Zauberers. Ich wusste, dass selbst meine kompliziertesten und mächtigsten schützenden Zauber und Flüche wahrscheinlich nicht unüberwindbar sein würden, sollte er je wieder seine gesamte Macht zurückerlangen.
Aber ich wusste auch, was Voldemorts Schwächen waren. Und mit dem Blick darauf traf ich meine Entscheidung. Ein alter Zauber würde dich schützen, von dem er weiß, den er jedoch verachtet und daher immer unterschätzt hat – zu seinem Nachteil. Ich rede natürlich von der Tatsache, dass deine Mutter starb, um dich zu retten. Sie gab dir einen dauerhaften Schutz, mit dem er nie gerechnet hatte, einen Schutz, der bis heute in deinen Adern fließt. So setzte ich mein Vertrauen in das Blut deiner Mutter. Ich brachte dich zu ihrer Schwester, ihrer einzigen noch lebenden Verwandten.«
»Sie liebt mich nicht«, sagte Harry prompt. »Ich bin ihr verdammt egal –«
»Doch sie hat dich aufgenommen«, unterbrach ihn Dumbledore. »Sie mag dich grollend, zornig, widerwillig, verbittert aufgenommen haben, und dennoch hat sie dich aufgenommen, und indem sie dies tat, besiegelte sie den Zauber, den ich dir auferlegt hatte. Das Opfer deiner Mutter machte das Band des Blutes zum stärksten Schild, den ich dir mitgeben konnte.«
»Ich versteh immer noch nicht –«
»Solange du den Ort, wo das Blut deiner Mutter fließt, immer noch dein Zuhause nennen kannst, kann Voldemort dich dort nicht berühren oder schädigen. Er hat ihr Blut vergossen, doch es lebt weiter in dir und ihrer Schwester. Ihr Blut wurde zu deiner Zuflucht. Du musst nur einmal im Jahr dorthin zurückkehren, doch solange du es noch Zuhause nennen kannst, kann er dir nichts antun, während du dort bist. Deine Tante weiß das. In dem Brief, den ich mit dir an ihrer Tür hinterließ, habe ich erklärt, was ich getan hatte. Sie weiß, dass sie dich, indem sie dich in ihr Haus aufnahm, wohl während der letzten fünfzehn Jahre am Leben erhalten hat.«
»Warten Sie«, sagte Harry. »Einen Moment.«
Er setzte sich aufrechter hin und starrte Dumbledore an.
»Sie haben diesen Heuler geschickt. Sie haben sie aufgefordert, sich zu erinnern – das war Ihre Stimme –«
»Ich dachte«, sagte Dumbledore und neigte leicht den Kopf, »dass man sie womöglich an den Pakt
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