Harry Potter und der Stein der Weisen
orangerote Augen.
Es nieste. Aus seiner Schnauze flogen ein paar Funken.
»Ist es nicht schön? «, murmelte Hagrid. Er streckte die Hand aus, um den Kopf des Drachenbabys zu streicheln. Es schnappte nach seinen Fingern und zeigte dabei seine spitzen Fangzähne.
»Du meine Güte, es kennt seine Mammi!«
»Hagrid«, sagte Hermine, »wie schnell wachsen eigentlich Norwegische Stachelbuckel?«
Hagrid wollte gerade antworten, als mit einem Mal die Farbe aus seinem Gesicht wich – er sprang auf und rannte ans Fenster.
»Was ist los?«
»Jemand hat durch den Spalt in den Vorhängen reingeschaut, ein Junge, er rennt zurück zur Schule.«
Harry sprang zur Tür und sah hinaus. Selbst auf diese Entfernung gab es keinen Zweifel, wer es war.
Malfoy hatte den Drachen gesehen.
Etwas an dem Lächeln, das die ganze nächste Woche über auf Malfoys Gesicht hängen blieb, machte Harry, Ron und Hermine sehr nervös. Ihre freie Zeit verbrachten sie größtenteils in Hagrids abgedunkelter Hütte, wo sie versuchten ihm Vernunft beizubringen.
»Lass ihn einfach laufen«, drängte Harry. »Lass ihn frei.«
»Ich kann nicht«, sagte Hagrid. »Er ist zu klein. Er würde sterben.«
Sie sahen den Drachen an. In nur einer Woche war er um das Dreifache gewachsen. Aus seinen Nüstern schwebten kleine Rauchkringel hervor. Hagrid vernachlässigte schon seine Pflichten als Wildhüter, denn der Drache nahm ihn ständig in Anspruch. Auf dem Boden verstreut lagen Hühnerfedern und leere Schnapsflaschen.
»Ich will ihn Norbert nennen«, sagte Hagrid und blickte den Drachen mit feuchten Augen an. »Er kennt mich jetzt ganz gut, seht mal her. Norbert! Norbert! Wo ist die Mammi?«
»Er hat nicht mehr alle Tassen im Schrank«, murmelte Ron in Harrys Ohr.
»Hagrid«, sagte Harry laut, »gib Norbert noch zwei Wochen und er ist so lang wie dein Haus. Malfoy könnte jeden Augenblick zu Dumbledore gehen.«
Hagrid biss sich auf die Unterlippe.
»Ich … ich weiß, ich kann ihn nicht ewig behalten, aber ich kann ihn auch nicht einfach aussetzen, das kann ich einfach nicht.«
Harry wandte sich jäh zu Ron um.
»Charlie«, sagte er.
»Du hast sie auch nicht mehr alle«, sagte Ron. »Ich bin Ron, weißt du noch?«
»Nein, Charlie, dein Bruder Charlie. In Rumänien. Der Drachenforscher. Wir könnten ihm Norbert schicken. Charlie kann sich um ihn kümmern und ihn dann in die Wildnis aussetzen!«
»Einfach genial!«, sagte Ron. »Wie wär’s damit, Hagrid?«
Und am Ende war Hagrid einverstanden, Charlie eine Eule zu schicken und ihn zu fragen.
Die nächste Woche schleppte sich zäh dahin. Mittwochabend, nachdem die andern zu Bett gegangen waren, saßen Hermine und Harry noch lange im Gemeinschaftszimmer. Die Wanduhr hatte gerade Mitternacht geschlagen, als das Porträt zur Seite sprang. Ron ließ Harrys Tarnumhang fallen und erschien aus dem Nichts. Er war unten in Hagrids Hütte gewesen und hatte ihm geholfen, Norbert zu füttern, der inzwischen körbeweise tote Ratten verschlang.
»Er hat mich gebissen!«, sagte er und zeigte ihnen seine Hand, die mit einem blutigen Taschentuch umwickelt war. »Ich werd eine ganze Woche lang keine Feder mehr halten können. Ich sag euch, dieser Drache ist das fürchterlichste Tier, das ich je gesehen hab, aber so wie Hagrid es betüttelt, könnte man meinen, es sei ein niedliches, kleines Schmusehäschen. Nachdem er mich gebissen hat, hat Hagrid mir auch noch vorgeworfen, ich hätte dem Kleinen Angst gemacht. Und als ich zur Tür raus bin, hat er ihm gerade ein Schlaflied gesungen.«
Am dunklen Fenster kratzte etwas.
»Es ist Hedwig!«, sagte Harry und lief rasch hinüber, um sie einzulassen. »Sie hat bestimmt Charlies Antwort!«
Mit zusammengesteckten Köpfen lasen sie den Brief.
Lieber Ron,
wie geht es dir? Danke für den Brief – den Norwegischen Stachelbuckel würde ich gerne nehmen, aber es wird nicht leicht sein, ihn hierher zu bringen. Ich glaube, das Beste ist, ihn ein paar Freunden von mir mitzugeben, die mich nächste Woche besuchen kommen. Das Problem ist, dass sie nicht dabei gesehen werden dürfen, wenn sie einen gesetzlich verbotenen Drachen mitnehmen.
Könntest du den Stachelbuckel am Samstag um Mitternacht auf den höchsten Turm setzen? Sie können dich dort treffen und ihn mitnehmen, während es noch dunkel ist.
Schick mir deine Antwort so bald wie möglich.
Herzlichst
Charlie
Sie sahen einander an.
»Wir haben den Tarnumhang«, sagte Harry. »Das wird nicht so schwierig sein
Weitere Kostenlose Bücher