Harry Potter und die Kammer des Schreckens
ging Lockhart hinaus. Mit einem neugierigen Blick zurück auf Dumbledore und Harry schloss Ron die Tür.
Dumbledore trat zu einem Stuhl am Feuer.
»Setz dich, Harry«, sagte er und Harry, der sich unerklärlich nervös fühlte, folgte der Aufforderung.
»Zunächst einmal möchte ich dir danken, Harry«, sagte Dumbledore und seine Augen blinkten wieder. »Du musst mir dort unten in der Kammer wirkliche Treue bewiesen haben. Sonst wäre Fawkes nämlich nicht erschienen.«
Er streichelte den Phönix, der ihm auf die Knie geflattert war. Harry grinste verlegen, als Dumbledore ihn musterte.
»Und du hast also Tom Riddle getroffen«, sagte Dumbledore nachdenklich. »Ich kann mir vorstellen, dass er an dir höchst interessiert war …«
Plötzlich kam Harry etwas, was ihm auf dem Herzen lag, aus dem Mund gekullert.
»Professor Dumbledore … Riddle sagte, ich sei wie er, seltsame Ähnlichkeit, sagte er …«
»Ach, hat er?«, sagte Dumbledore und blickte Harry unter seinen dicken silbernen Augenbrauen nachdenklich an. »Und was denkst du, Harry?«
»Ich denke nicht, dass ich wie er bin!«, sagte Harry unwillkürlich laut. »Ich meine, ich bin … ich bin ein Gryffindor, ich bin …«
Doch er verstummte, denn ein unauslöschlicher Zweifel tauchte abermals in seinen Gedanken auf.
»Professor«, hob er nach einer Weile wieder an, »der Sprechende Hut hat mir gesagt, dass ich – dass ich in Slytherin gut gewesen wäre. Alle dachten eine Zeit lang, ich wäre Slytherins Erbe … weil ich Parsel sprechen kann …«
»Du kannst Parsel, Harry«, sagte Dumbledore ruhig, »weil Lord Voldemort, der tatsächlich der letzte Nachfahre von Salazar Slytherin ist, Parsel sprechen kann. Und wenn ich mich nicht irre, hat er in jener Nacht, als er dir die Narbe zugefügt hat, einige seiner eigenen Kräfte auf dich übertragen … nicht dass er es beabsichtigt hätte, da bin ich mir sicher …«
»Voldemort hat etwas von sich selbst auf mich übertragen?«, sagte Harry wie vom Donner gerührt.
»Es sieht ganz danach aus.«
»Also sollte ich tatsächlich in Slytherin sein«, sagte Harry und sah Dumbledore verzweifelt in die Augen. »Der Sprechende Hut hat die Macht Slytherins in mir gespürt und er –«
»Hat dich nach Gryffindor gesteckt«, sagte Dumbledore gelassen. »Hör mir zu, Harry. Du hast nun einmal viele der Begabungen, die Salazar Slytherin bei seinen handverlesenen Schülern schätzte. Seine eigene, sehr seltene Gabe, die Schlangensprache, sowie Entschlossenheit, Findigkeit und eine gewisse Neigung, Regeln zu missachten«, fügte er hinzu und wieder zitterte sein Schnurrbart. »Doch der Sprechende Hut hat dich nach Gryffindor gesteckt. Du weißt, warum. Denk nach.«
»Er hat mich nur nach Gryffindor gesteckt«, sagte Harry mit gedrückter Stimme, »weil ich nicht nach Slytherin wollte …«
»Genau«, sagte Dumbledore und strahlte abermals. »Und das heißt, du bist ganz anders als Tom Riddle, Harry. Viel mehr als unsere Fähigkeiten sind es unsere Entscheidungen, Harry, die zeigen, wer wir wirklich sind.« Harry saß reglos und verblüfft auf seinem Stuhl. »Wenn du einen Beweis willst, dass du nach Gryffindor gehörst, Harry, dann schau dir mal das hier näher an.«
Dumbledore beugte sich zu Professor McGonagalls Schreibtisch hinüber, nahm das blutverschmierte silberne Schwert hoch und reichte es Harry. Benommen drehte Harry die Waffe um. Die Rubine strahlten im Licht des Feuers. Und dann sah er den Namen, der unterhalb des Griffs eingraviert war.
Godric Gryffindor.
»Nur ein wahrer Gryffindor hätte das aus dem Hut ziehen können, Harry«, sagte Dumbledore schlicht.
Eine Minute lang schwiegen beide. Dann öffnete Dumbledore eine Schublade von Professor McGonagalls Schreibtisch und holte eine Feder und ein Fläschchen Tinte heraus.
»Was du brauchst, Harry, ist etwas zu essen und Schlaf. Ich schlage vor, du gehst runter zum Fest, während ich nach Askaban schreibe – wir brauchen unseren Wildhüter wieder. Und ich muss auch eine Anzeige für den Tagespropheten entwerfen«, fügte er nachdenklich hinzu. »Wir brauchen einen neuen Lehrer für Verteidigung gegen die dunklen Künste … meine Güte, wir verschleißen sie alle recht schnell.«
Harry stand auf und ging zur Tür. Gerade wollte er die Klinke berühren, als die Tür so heftig aufgestoßen wurde, dass sie gegen die Wand knallte.
Lucius Malfoy stand vor ihnen, Zornesröte im Gesicht. Und unter seinem Arm kauerte, dick in Binden gewickelt, Dobby
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