GK0100 - Der See des Schreckens
Shirley Adams bekam den gräßlichen Vorgang so schnell gar nicht mit. Sie hörte noch den Schrei, und auf einmal war Ted verschwunden.
Ted Bulmer, der beste Schwimmer! Sportskanone Nummer eins! Unmöglich!
Shirleys Gedanken kreisten wie ein Mühlrad.
... er ist ein guter Schwimmer... Herzschlag... Mein Gott, man muß was tun...
Sie tat nichts, starrte aus weit aufgerissenen Augen auf die Wasseroberfläche.
Ein paar Luftblasen stiegen hoch, zerplatzten.
Das war alles.
Und Ted tauchte nicht wieder auf. Wie festgeleimt stand Shirley am sandigen Ufer. Immer noch begriff sie nicht, was geschehen war. Immer noch hoffte sie, Ted würde irgendwann auftauchen und ihr sagen…
Shirleys Gedanken stockten.
Das Wasser geriet plötzlich in Bewegung. Genau dort, wo Ted eingetaucht war.
Sollte er wieder auftauchen?
Erregung packte das Mädchen.
Ein Strudel entstand. Das Wasser schäumte. Der unheimliche Strudel bildete einen Trichter, der bis auf den Grund des Sees zu reichen schien.
Plötzlich war ein gewaltiges Pfeifen zu hören. Eine schwarze Wolke schob sich vor die Sonne. Es wurde dunkel – und kalt.
Gebannt starrte Shirley auf den Wassertrichter, aus dessen unauslotbarer Tiefe eine gräßliche Gestalt stieg.
Ein Monster!
Riesengroß und über und über mit Tang und Schlick bedeckt. Grüngraue Haare hingen in dicken Strähnen am Kopf des Monsters herab, bedeckten fast völlig das entstellte Gesicht.
Ein grauenhaftes Maul tat sich auf, aus dem urplötzlich ein schauriges, nervenzerfetzendes Heulen drang.
Das kalte Entsetzen fuhr Shirley Adams bis ins Mark. Sie sah die beiden unförmigen Arme des Monsters, auf denen ein Mensch lag.
Ein Mensch, den sie kannte.
Ted Bulmer!
Noch einmal heulte das Monster auf. Dann verschwand es mit dem Körper des jungen Mannes in der Tiefe des Sees.
Shirley Adams Augen waren geweitet. Die Nerven bis an die äußerste Grenze belastet.
Dann kam der Schock.
Auf einmal drehte sich alles vor ihren Augen. Der Wald, das Wasser, die Wolken.
Einige Herzschläge später stürzte Shirley Adams bewußtlos auf den weichen Sandboden. Ihr rechter Arm war weit vorgestreckt, und die auslaufenden Wellen umspielten ihre Finger.
Das Monster aber war verschwunden. Der See lag ruhig und spiegelglatt in der heißen Mittagssonne. Ein Bild des Friedens.
Doch in der Tiefe lauerte das Verderben…
***
»Sie kommt zu sich. Endlich!«
Wie aus weiter Ferne hörte Shirley Adams die Männerstimme. Sie hatte das Gefühl, über einem Abgrund zu schweben, wie auf riesigen Händen getragen. Doch plötzlich ließen sie diese Hände los – und…
Shirley öffnete die Augen.
Ein rosiges Gesicht mit einem buschigen Schnäuzer zwischen Oberlippe und Nase sah sie an.
Etwas zu dicke Lippen verzogen sich zu einem sparsamen Lächeln. »Wieder da, Miß?«
Shirley wollte sich aufrichten, doch sofort begann sich alles vor ihren Augen zu drehen. Sie spürte, daß sie trotz der Sonnenstrahlen fror. Feucht klebte ihr knapper Tanga am Körper. Die zwei Stoffstücke ließen ihre ausgereiften Formen deutlich hervortreten.
Shirley wandte den Kopf. Sie sah einen Rettungswagen. Zwei Männer in weißen Kitteln lehnten daran. Die beiden betrachteten sie ungeniert. Einer stieß hastig den Rauch einer Zigarette aus den Nasenlöchern aus.
Shirley blickte zur Seite. Wieder sah sie die Augen über sich. »Ich bin Doktor McGrath«, stellte sich der Mann mit dem Schnurrbart vor.
Shirley öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch ihre Kehle war wie zugeschnürt. Ein anderer Mann trat in ihr Blickfeld. Er trug eine Uniform, war demnach Polizeibeamter.
Der Uniformierte wandte sich an den Arzt. »Hat sie irgendwas gesagt?«
»Noch nicht.«
»Na ja, wird schon werden.«
»Helfen Sie mir hoch, Doc, bitte«, flüsterte Shirley. »Außerdem friere ich.«
»Holt mal eine Decke«, fuhr der Arzt die beiden Männer an.
Einer verzog sich, kramte in dem Rettungswagen herum und breitete wenig später eine Decke über Shirleys Körper aus.
Der Arzt und der Polizist halfen Shirley auf die Beine. Sie mußten das Mädchen stützen, denn augenblicklich setzte wieder das Schwindelgefühl ein.
»Was ist denn geschehen?« fragte der Polizist, während sie zu dem Rettungswagen gingen.
Diese Frage wirkte bei Shirley wie ein Startschuß. Sie ruckte herum, umfaßte mit ihren Fingern den Arm des Polizisten.
»Ted, Sie müssen ihn retten. Er ist ertrunken. Er ist…« Shirleys Stimme versagte.
»Nun mal langsam«, sagte der in Ehren ergraute
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