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Hauchnah

Hauchnah

Titel: Hauchnah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Virna Depaul
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sehr abschreckten. Stattdessen lehnte sie sich, die Arme vor der Brust verschränkt, den Kopf gesenkt, an die Wand und versuchte sich unsichtbar zu machen. Sie verkrampfte sich jedes Mal, wenn sich, gleich aus welcher Richtung, Schritte näherten. Jedes Mal wartete sie auf das unvermeidliche Stocken der Unterhaltung oder das Verstummen der Schritte, wenn die Passanten sie bemerkten. Wartete auf die Frage eines Kindes: „Mommy, warum hat die Frau einen Stock in der Hand?“, die dann hastig beiseitegewischt wurde. Wartete darauf, überhaupt nicht beachtet zu werden.
    Innerhalb von fünf Minuten hatten sich sämtliche Erwartungen erfüllt, manche öfter als einmal, und jede einzelne Wahrnehmungschmerzte. Interessanterweise bestand die häufigste Reaktion, die, die am meisten schmerzte, in Schweigen.
    Einerseits wollte sie unbemerkt bleiben, andererseits lieber als Kuriosität oder Ärgernis wahrgenommen statt völlig übersehen werden. Der Gedanke lockte beinahe ein Lächeln auf ihre Lippen. Offenbar schadete nach wie vor ihr Stolz ihr selbst am meisten.
    Sie legte die Fingerspitzen auf das Zifferblatt ihrer Uhr, die außer der Sprachfunktion auch erhabene Symbole zur Zeitangabe aufwies. Melissa würde bald kommen, und eigentlich konnte sie die Freundin wie gewohnt bitten, Kaffee zu holen, doch das wäre ein Beweis von Schwäche. Von Hilfsbedürftigkeit.
    Ich habe die Nase voll von hilfsbedürftigen Frauen.
    Obwohl Agent McKenzies Worte alles andere als schmeichelhaft gewesen waren, zog sich bei der Erinnerung an seine dunkle, eindringliche Stimme etwas in Natalies Unterleib zusammen. Ihre Hände zitterten ein wenig, und ihr wurde warm. Eine Mischung aus Fluchtsowie Kampfinstinkt und animalischer Lust überfiel sie.
    „Animalisch“ war das richtige Wort, um zu beschreiben, was sie von dem Mann wollte. Von jedem beliebigen Mann. Mehr nicht. Körperliche Erfüllung für ihre Libido, die lange keine mehr erfahren hatte. Aus diesem Grund hatte sie so stark auf Agent McKenzie reagiert. Dem einzigen Grund, warum sie immer noch an ihn dachte.
    Doch im Moment hatte sie größere Probleme. Zum Beispiel musste sie sich entscheiden, ob sie ins Café gehen und sich einen Kaffee bestellen oder mit eingezogenem Schwanz nach Hause gehen wollte. Letztendlich ließ ihr Stolz nur eine Antwort zu.
    So weit bist du schon gekommen, Natalie. Du darfst jetzt nicht kneifen.
    Sie riss sich zusammen, straffte die Schultern, ging zur Eingangstür und dann hindurch. Sie versuchte die Sinnesreize auszuschalten, die sie plötzlich überfluteten, doch es war unmöglich. Mit der Macht eines Tsunami überfluteten sie Natalie. DerLärm. Körper, die sie anrempelten, dann das verlegene, tiefe Schweigen, wenn die betreffende Person zurückwich. Das Kribbeln auf der Haut, wenn man sie anstarrte. Die Angst, zu stürzen oder gegen eine Wand zu laufen. Oder schlimmer noch, jemand würde sie erkennen. Die Blinde mit der starken, lebhaften Frau, die sie mal war, in Verbindung bringen.
    Das Bestellen und Warten auf ihren Kaffee war ein qualvoller Prozess, und als sie endlich den warmen Becher in der Hand hielt, rang sie nach Luft. Der Heimweg war kaum besser, und als ihre Nerven sich schließlich beruhigt hatten, war Natalie die Lust auf Koffein vollständig vergangen. Sie ließ den Becher auf dem Küchentresen stehen und führte ein paar Meditations- und Atemübungen durch, bis sie wieder ruhig war. Sich unter Kontrolle hatte.
    Wenige Minuten später kam Melissa. Und auch, wenn sie anfangs eher in Angst als in freudiger Erregung die Tür öffnete, änderte sich auch das irgendwann. Sie begann die Gesellschaft ihrer Freundin zu genießen. Und sie war besonders stolz auf ihre Gelassenheit, als sie Melissa von den Ereignissen des Vortags erzählte.
    „Und dann sind sie einfach gegangen?“
    Natalie zuckte die Achseln und bemühte sich um einen unbeteiligten Gesichtsausdruck, als sie sich die Männer bildlich vorstellte, von denen Melissa redete. Groß. Breit. Knallhart. „Ich hatte ihnen alles gesagt, was ich wusste. Viel mehr konnten sie nicht aus mir herausbekommen, jedenfalls nicht ohne richterliche Anordnung.“
    „Woher kennst du dich so gut mit dem Gesetz aus?“
    „Gleich nach dem College habe ich mich als Kriminalreporterin versucht.“
    Ihre Freundin lachte. „Gibt es irgendetwas, das du noch nicht gemacht hast?“
    Verlegenes Schweigen hing in der Luft, während beide an all das dachten, was sie jetzt nie mehr würde machen können.
    „Ich habe

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