Hauchnah
hatte sich noch um das Zehnfache verstärkt, als er den Namen seines Bruders erfuhr. Das war das letzte Geschenk seines Alten an ihn – nur widerwillig gegeben, nachdem Alex gedroht hatte, anderenfalls die Polizei über seine illegalen Machenschaften zu informieren.
Von da an ging es stetig bergauf, als würde Gott Alex’ Gebete voller Begeisterung erhören. Alex hatte erfahren, dass sein Bruder ein Gottesmann war. Er hatte ihm geschrieben, erwartete aber im Grunde keine Antwort. Eine Woche vor seiner Haftentlassung hatte sein Bruder Kontakt zu ihm aufgenommen und ihm Unterstützung in der Eingewöhnungszeit angeboten.
Sie waren Fremde füreinander, aber auch wieder nicht. Alex war blutsverwandt mit einem Gottesmann, bevor er überhaupt an Gott glaubte. Alles schien perfekt zusammenzupassen, als wäre es von vornherein so bestimmt gewesen.
Alex glaubte jetzt, und er glaubte an die Macht des Wissens zur Erhöhung nicht nur des Erdenlebens, sondern auch der unsterblichen Seele. Glücklicherweise hatte er nicht nur seinen Bruder, auf den er sich verlassen konnte, sondern zudem eine ganze Kirche von Anhängern. Sie hatten ihn mit offenen Armen aufgenommen, und das sollte nicht ohne Belohnung bleiben.
Am Vortag, als er das Haus der Frau mitten am Tag dunkel vorgefunden hatte, setzte er alles vor seiner Verhaftung Gelernte ein, um hineinzugelangen. Und dann nutzte er alles, was er im Gefängnis über Computer gelernt hatte, um zu bekommen, was er wollte.
In weniger als fünf Minuten war er an die gewünschten Bilder gekommen, die er auf seinen USB-Stick kopieren wollte. Währender noch wartete, hatte er sie sich angesehen, nach vertrauten Gesichtern Ausschau gehalten, die Serie bemerkt, die vermuten ließ, dass sie Lindsay doch gesehen hatte … Aber dann kam sie nach Hause.
Ein leises Geräusch in der Nähe ließ ihn zusammenzucken. Ein Blick auf den Monitor verriet ihm, dass erst die Hälfte der Fotos kopiert war.
Mach schon, mach schon, drängte er. Schneller.
Er hörte, wie die Haustür geöffnet wurde. Gedämpfte Stimmen, während eine Spur von Licht die kühle Dunkelheit um ihn herum durchdrang.
Er presste die Lippen aufeinander, um Atemgeräusche zu vermeiden. Er atmete plötzlich rau und zu hastig.
Der Kopiervorgang war zu fünfundsechzig Prozent erledigt.
„Danke fürs Heimbringen. Wir sehen uns in zwei Wochen.“
Eine andere Frauenstimme antwortete darauf, allerdings so leise, dass Alex nichts verstand.
Fünfundsiebzig Prozent des Kopiervorgangs waren abgeschlossen.
Die Tür fiel ins Schloss, und einen Augenblick später startete ein Auto, und das Motorengeräusch entfernte sich.
Im Haus seufzte die Frau. Sie entfernte sich von Alex, ging durch den Flur in ein anderes Zimmer.
Fünfundachtzig Prozent des Kopiervorgangs waren abgeschlossen.
Seine Muskeln erschlafften, er konnte kaum einen Seufzer der Erleichterung unterdrücken. Gleich darauf spannten sich seine Muskeln jedoch steinhart an, als er die Frau, die leise Selbstgespräche führte, zurückkommen hörte.
Verdammt. Nein!
Neunzig Prozent des Kopiervorgangs waren abgeschlossen.
Sie kam näher. Immer näher.
Alex zog den USB-Stick ab und schaltete schnell den Monitor aus, sodass es völlig dunkel im Zimmer wurde. Er stürzte zur Tür, der einzigen Tür zu ihrem Arbeitszimmer, blieb dort stehenund betete, dass sie in die Küche gehen möge. Dann konnte er rasch aus dem Haus schlüpfen, und sie würde nie erfahren, dass er drinnen gewesen war.
Doch dieses Mal erhörte Gott seine Gebete nicht.
Er hatte sich wieder im Griff und drängte seine Gedanken beiseite. Wollte seinen Angriff auf die Frau nicht noch einmal nacherleben. Spontan griff Alex nach dem Anhänger an seinem Hals, dann allerdings fiel ihm wieder ein, dass er verschwunden war. Er hatte sich selbst verflucht, als er feststellte, dass Laurens Schmuckanhänger fort war. Es war dumm gewesen, ihn bei sich zu tragen, doch er hatte ihm dringend benötigte Entschlossenheit verliehen. Hatte ihm die Sicherheit gegeben, dass das, was er tat, einem höheren Zweck diente. Natürlich konnte der Anhänger die Polizei auf Laurens Spur und damit auf seine führen. Aber er hatte den Anhänger im Haus der Frau verloren, und das war ein Beweis dafür, dass die Frau ihn genauso brauchte, wie Er sie brauchte. Dass sie vom Wege abgeirrt war.
Deshalb versuchte er lieber, sich auf seine Mission zu konzentrieren. Weil er nicht alle Fotos von ihrem Computer hatte kopieren können, konnte er sich
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