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Hauffs Maerchen - Gesamtausgabe

Hauffs Maerchen - Gesamtausgabe

Titel: Hauffs Maerchen - Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Hauff
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Kopf reißen, mit der andern Hand mußte er auf die Seite fahren und mit dem rechten Fuß auskratzen. Er durfte auch nicht mehr mit übergeschlagenen Beinen sitzen, wie es angenehme Sitte ist im Morgenland, sondern auf hochbeinige Stühle mußte er sich setzen und die Füße herabhängen lassen auf den Boden. Das Essen machte ihm auch nicht geringe Schwierigkeit; denn alles, was er zum Mund bringen wollte, mußte er zuvor auf eine Gabel von Eisen stecken.

Der Doktor aber war ein strenger, böser Mann, der den Knaben plagte; denn wenn er sich jemals vergaß und zu einem Besuch sagte: “Salem aleikum!” so schlug er ihn mit dem Stock; denn er sollte sagen: “Votre serviteur!” Er durfte auch nicht mehr in seiner Sprache denken oder sprechen oder schreiben, höchstens durfte er darin träumen, und er hätte vielleicht seine Sprache gänzlich verlernt, wenn nicht ein Mann in jener Stadt gelebt hätte, der ihm von großem Nutzen war.

Es war dies ein alter, aber sehr gelehrter Mann, der viele morgenländische Sprachen verstand, Arabisch, Persisch, Koptisch, sogar Chinesisch, von jedem etwas; er galt in jenem Land für ein Wunder von Gelehrsamkeit, und man gab ihm viel Geld, daß er diese Sprachen andere Leute lehrte. Dieser Mann ließ nun den jungen Almansor alle Wochen einigemal zu sich kommen, bewirtete ihn mit seltenen Früchten und dergleichen, und dem Jüngling war es dann, als wäre er zu Haus; denn der alte Herr war gar ein sonderbarer Mann. Er hatte Almansor Kleider machen lassen, wie sie vornehme Leute in Egypten tragen. Diese Kleider bewahrte er in seinem Hause in einem besonderen Zimmer auf. Kam nun Almansor, so schickte er ihn mit einem Bedienten in jenes Zimmer und ließ ihn ganz nach seiner Landessitte ankleiden. Von da an ging es dann nach “Kleinarabien”, so nannte man einen Saal im Hause des Gelehrten.

Dieser Saal war mit allerlei künstlich aufgezogenen Bäumen, als Palmen, Bambus, junge Zedern und dergleichen, und mit Blumen ausgeschmückt, die nur im Morgenland wachsen. Persische Teppiche lagen auf dem Fußboden, und an den Wänden waren Polster, nirgends aber ein fränkischer Stuhl oder Tisch. Auf einem dieser Polster saß der alte Professor; er sah aber ganz anders aus als gewöhnlich; um den Kopf hatte er einen feinen türkischen Schal als Turban gewunden, er hatte einen grauen Bart umgeknüpft, der ihm bis zum Gürtel reichte und aussah wie ein natürlicher, ehrwürdiger Bart eines gewichtigen Mannes. Dazu trug er einen Talar, den er aus einem brokatnen Schlafrock hatte machen lassen, weite türkische Beinkleider, gelbe Pantoffeln und, so friedlich er sonst war, an diesen Tagen hatte er einen türkischen Säbel umgeschnallt, und im Gürtel stak ein Dolch, mit falschen Steinen besetzt. Dazu rauchte er aus einer zwei Ellen langen Pfeife und ließ sich von seinen Leuten bedienen, die ebenfalls persisch gekleidet waren und wovon die Hälfte Gesicht und Hände schwarz gefärbt hatte.

Von Anfang wollte dies alles dem jungen Almansor gar wunderlich bedünken, aber bald sah er ein, daß solche Stunden, wenn er in die Gedanken des Alten sich fügte, sehr nützlich für ihn seien. Durfte er beim Doktor kein egyptisches Wort sprechen, so war hier die fränkische Sprache sehr verboten. Almansor mußte beim Eintreten den Friedensgruß sprechen, den der alte Perser sehr feierlich erwiderte; dann winkte er dem Jüngling, sich neben ihn zu setzen, und begann Persisch, Arabisch, Koptisch und alle Sprachen untereinander zu sprechen und nannte dies eine gelehrte morgenländische Unterhaltung. Neben ihm stand ein Bedienter oder, was sie an diesem Tage vorstellten, ein Sklave, der ein großes Buch hielt; das Buch war aber ein Wörterbuch, und wenn dem Alten die Worte ausgingen, winkte er dem Sklaven, schlug flugs auf, was er sagen wollte, und fuhr dann zu sprechen fort.

Die Sklaven aber brachten in türkischem Geschirr Sorbet und dergleichen, und wollte Almansor dem Alten ein großes Vergnügen machen, so mußte er sagen, es sei alles bei ihm angeordnet wie im Morgenland. Almansor las sehr schön Persisch, und das war der Hauptvorteil für den Alten. Er hatte viele persische Manuskripte; aus diesen ließ er sich von dem Jüngling vorlesen, las aufmerksam nach und merkte sich auf diese Art die richtige Aussprache.

Das waren die Freudentage des armen Almansor; denn nie entließ ihn der alte Professor unbeschenkt, und oft trug er sogar kostbare Gaben an Geld oder Leinenzeug oder anderen notwendigen Dingen

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