Haus des Todes
… Ich weiß nicht, es war … es war jemand anderer. Es war die Vergangenheit, die uns eingeholt hat. Sharon Miller hat sie uns gezeigt, damit wir endlich verstehen, was geschehen ist.”
Er nickte und drückte sie an sich.
“Es war nicht real, Jack”, wiederholte sie.
“Du hast mit allem recht, aber
damit
nicht.” Er hob den Kopf und starrte an ihr vorbei in die Dunkelheit. “Es war sehr real.”
Sie wandte sich um, folgte seinem Blick – und sah sie. Sah die Geister, deren Gestalt die Frauen angenommen hatten. Bei manchen waren die Konturen ihrer Körper deutlich zu erkennen, und die Nebelschwaden formten sich zu Gesichtern, Gliedmaßen und Händen. Andere wiederum waren nur schemenhafte Gestalten, die sich als helle Silhouetten von der Dunkelheit abhoben. “Oh Gott, es sind so viele”, flüsterte sie. “Vorhin im Verlies waren es nur vier.”
Jack stand auf und legte ihr die Hände auf die Schultern. “Sie sind im Garten hinter dem Haus begraben.”
Sie schloss die Augen. “Oh Gott.”
“Es wird noch schlimmer”, sagte er leise. “Er tut es immer noch.”
Sie hob ruckartig den Kopf. “
Was
?”
“Philip Miller ist nicht tot, Kiley. Er lebt gesund und munter hier ganz in der Nähe. Und er bringt immer noch Frauen um.”
Mit einem Schlag fiel es ihr wieder ein. “Die verschwundenen Prostituierten aus Albany. Oh mein Gott, Jack! Wir müssen hier raus, wir müssen ihn aufhalten und …”
Hinter ihnen waren plötzlich ein Ächzen und ein lauter Knall zu hören. Dann wurde es hell. Die Falltür war offen und der Weg hinauf in den Keller frei.
Kiley und Jack sahen sich an. “Es tut mir leid, dass ich dich früher als Scharlatan bezeichnet habe. Du bist so phänomenal gut, dass es richtig erschreckend ist.”
Er schüttelte langsam den Kopf. “Erinnere mich später daran, dir zu sagen, dass du mit dieser Einschätzung völlig falsch liegst.”
Sie schaute ihn fragend an. Doch dann drehte sie sich um und wandte sich wieder den schemenhaften Gestalten, den Geistern, zu. “Es ist vorbei”, sagte sie zu ihnen. “Wir sorgen dafür, dass er aufhört. Und dann könnt ihr in Frieden ruhen.”
EPILOG
Kileys gesamtes Haus war von gelbem Absperrband umgeben. Polizeiautos, Geländewagen und Transporter säumten die Straße, und vom Garten hinter dem Haus war das Dröhnen und Brummen eines Baggers zu hören. Überall standen Journalisten und Kamerateams herum, doch Kiley gab keine Interviews. Sie hatte das Wichtigste in ihrer aktuellen Kolumne geschildert, und aus dem Rest würde ein Buch werden.
Sie stand auf dem Bürgersteig und sah zu, wie die Leichen exhumiert und dann eine nach der anderen in Plastiksäcken zu den wartenden Autos getragen wurden. Inmitten von herabgefallenem Laub, das in den leuchtendsten Farben des Herbstes schimmerte, saß Jack dicht neben ihr am Randstein und las die Zeitung.
Officer Hanlon kam auf sie zu. “Philip Miller wurde verhaftet. Bei der Festnahme haben die Cops drei Frauen in seinem Keller gefunden.”
Jack sah von seiner Zeitung auf. Kiley spürte einen Kloß im Hals. “Lebend aufgefunden?”
“Ja, dank Ihnen beiden.”
Sie schluckte. “Danke für die Information.”
Hanlon nickte und ging zurück ins Haus. Kiley guckte zu Jack hinunter. “Na?”
Er erwiderte ihren Blick, wandte sich dann wieder seiner Lektüre zu und begann laut aus ihrer jüngsten Kolumne vorzulesen. “Fazit ist, dass ich gelernt habe, dass nicht alles, was ich nicht verstehe oder glaube, zwangsläufig auf Vorspiegelung falscher Tatsachen beruht. Es gibt medial veranlagte Menschen, und es gibt Scharlatane. Und die einzige Möglichkeit, sich ein Urteil zu bilden, wer nun was ist, ist das eigene Gefühl. Wenn der Rat, den diese Menschen geben, einem hilft oder einen heilt oder man dadurch etwas bekommt, das man gerade braucht, dann sind sie genauso echt wie ein Seelsorger, Pfarrer, Pastor oder Psychiater. Ich werde mich künftig beruflich nicht mehr damit beschäftigen, alles, woran ich nicht glaube, zu kritisieren und anzuprangern. Nach allem, was ich in meinem Haus erleben musste, ist mir nun bewusst, dass es auf dieser Welt viel mehr gibt, als ich jemals verstehen werde. Und ich möchte klarstellen, dass es mir nur durch die außergewöhnliche Begabungen und Fähigkeiten von drei Hellsehern, die ich Schwindler nannte (zwei davon in dieser Kolumne), möglich war, die Wahrheit über die Frauen ans Licht zu bringen, die auf meinem Anwesen ermordet und verscharrt wurden. Nur durch
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