Haus des Todes
1. KAPITEL
Während Kiley Brigham den Kopf untergetaucht, das Shampoo ausgespült und sich wieder aufgerichtet hatte, war die Temperatur im Badezimmer von “Dampfsauna” rapide auf “Bibbern und Frösteln” abgesunken. Stirnrunzelnd beobachtete sie, wie das Wasser über ihre Haut hinunter in wärmere Gefilde floh. Sie hatte eine Gänsehaut. “Hm, was zum Teufel ist da los?”, murmelte sie und runzelte noch stärker die Stirn, da sie beim Reden nun ihren Atem sehen konnte.
War es in Burnt Hills, New York, mit einem Mal bitterkalt geworden? Gut, es war Ende Oktober, beinah Halloween, aber im Wetterbericht hatte es keine diesbezügliche Warnung gegeben. Und selbst wenn es einen plötzlichen Kälteeinbruch gegeben hätte, hätte sich doch die Heizung einschalten müssen. Laut dem Typen mit Werkzeugkoffer und Overall, der sich das hundert Jahre alte Haus angesehen hatte, bevor sie den Kaufvertrag unterschrieb, war die Heizung in ausgezeichnetem Zustand. Gut, sie hatte sie in der kurzen Zeit, seit sie in ihr Traumhaus eingezogen war, kaum in Betrieb gehabt – nur ein oder zwei Mal in der Nacht, als das Außenthermometer ein paar Grad gefallen war. Doch da hatte die Heizung tadellos funktioniert.
Sie legte den Kopf schief und horchte auf das übliche rasselnde Geräusch, mit dem das heiße Wasser durch die in die Jahre gekommenen Heizkörper gepumpt wurde. Nichts zu hören. Die Heizung war nicht in Betrieb.
Seufzend stieg sie von der Wanne auf die elegante, zartblaue Badematte und griff nach dem farblich dazu passenden Badetuch. Ihre neuen blassrosa und weißen Keramikfliesen mochten wundervoll aussehen, doch sie trugen eindeutig das ihrige zur eisigen Kälte bei, dachte Kiley, als sie einen Blick auf den total angelaufenen Spiegel warf und dann rasch durch die Tür in ihr Schlafzimmer huschte, um sich den wärmsten Morgenmantel zu schnappen, den sie finden konnte.
Kaum war sie im Schlafzimmer, war die Kälte verschwunden. Verdutzt blieb sie in der Tür stehen. Was zum Teufel hatte nun das wieder zu bedeuten? Sie lehnte sich ein wenig zurück ins Bad und spürte die eisige Kälte wieder, die dort in der Luft lag. Wie im Kühlhaus einer Fleischerei, dachte sie. Dann neigte sie sich wieder vor ins Schlafzimmer, wo es so kuschelig warm war wie immer.
Kiley zuckte die Schultern, zog die Badezimmertür hinter sich zu und kämpfte gegen ein Frösteln, das sie wie eine verspätete Reaktion auf die Kälte erfasst hatte. Sie schloss kurz die Augen – nur, um die Vorstellung aus ihren Gedanken zu verbannen, dass der kalte Schauer durch etwas anderes als die Temperatur ausgelöst wurde –, drehte sich um und ließ den Blick durch ihr Schlafzimmer schweifen. Die Holzvertäfelungen waren, ebenso wie die Deckenleisten, so dunkel, dass sie wie Ebenholz aussahen. Die Wände hatte sie dagegen in “Elfenbein antik” streichen lassen. Ihr Bett mit dem ungewöhnlich dunklen, vielleicht einen Hauch ins Blutrot gehenden Gestell aus Kirschholz passte fast perfekt dazu. Das Bettzeug und die Gardinen vor den hohen, schmalen Fenstern und die kleinen Teppiche auf dem dunklen Holzboden waren cremefarben. Ebenholz und Elfenbein waren die Farbtöne, die ihr von Anfang an für diesen Raum vorgeschwebt hatten, und es passte tatsächlich wunderbar zusammen.
“Ich liebe mein neues Haus”, sagte sie laut vor sich hin – freilich nicht ohne einen misstrauischen Blick Richtung Badezimmer zu werfen. “Und ich werde damit aufhören, nach dunklen Geheimnissen Ausschau zu halten, die den Schnäppchen-Preis erklären könnten. Mein Badezimmer ist also zugig. Na und?”
Mit einem entschlossenen Nicken ging sie zum Schrank, öffnete ihn und erstarrte. Eines der Kleider bewegte sich. Nur ganz wenig. Der Kleiderbügel schaukelte ein paar Millimeter vor und zurück, als hätte ihm irgendjemand einen winzigen Schubs gegeben.
Nur hatte das niemand getan.
Kiley hätte sich am liebsten geohrfeigt, als sie merkte, wie ihr ein kalter Schauer über den Rücken lief. Sie glaubte nämlich gar nicht an diese Dinge, die ihr gerade durch den Kopf gingen. Und die ihr ständig durch den Kopf gingen, seit sie eingezogen war.
Ich habe die Schranktür geöffnet, dadurch ist ein Luftzug entstanden, und das Kleid hat sich ein bisschen bewegt. Wie furchtbar …
Trotz ihrer Versuche, sich energisch zur Vernunft zu rufen, inspizierte sie den Inhalt des Schranks mit viel argwöhnischerem Blick, als ihr lieb war. Ihr Handwerker-Schrägstrich-Hausgutachter hatte sie
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