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Hawkings neues Universum

Hawkings neues Universum

Titel: Hawkings neues Universum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franckh-Kosmos-Verlags-GmbH und Co. <Stuttgart>
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Anschluss an einen astronomischen Vortrag des britischen Mathematikers und Philosophen Bertrand Russell soll sich einmal eine ältere Dame zu Wort gemeldet haben. Sie akzeptiere nicht, dass die Erde nur ein Planet unter vielen sei, die Sonne nur ein Stern unter unzähligen und die Milchstraße nicht der Mittelpunkt des Universums, sondern eine Galaxie unter Myriaden. Sie glaube vielmehr, die Erde sei eine Scheibe, die von einer riesigen Schildkröte auf dem Rücken getragen würde. Russell erkundigte sich etwas spöttisch, worauf denn die Schildkröte stünde. „Geben Sie sich keine Mühe“, erwiderte die Frau und nahm Russells Einwand vorweg. „Sie steht auf einer anderen Schildkröte, und diese wieder auf einer anderen und so weiter bis ins Unendliche.“
    Der Schildkröten-Turm ist eine schöne Parabel für die Alltagsweisheit „Von nichts kommt nichts“. Aber woher stammt dann alles, das heißt der gesamte Kosmos? Wenn unser Universum wirklich mit einem Urknall entstand, wie die Kosmologen annehmen, was war dann vorher – oder, wenn diese Frage als sinnlos zurückzuweisen wäre: Wie und warum kam es zum Urknall? Und wenn es darauf eine Antwort gäbe: Wieso sind dann die Voraussetzungen, auf denen diese Antwort beruht, wahr? Kann man nicht immer weiterfragen?
    Ein unendlicher Turm von Schildkröten und eine infinite Kette von Fragen sind rein logisch betrachtet denkbar, aber keineswegs zwangsläufig. Es könnte auch einen Abbruch (oder einen Kreisschluss) geben. Ähnlich beim Universum: Der Urknall könnte der absolute Anfang sein oder aber ein Übergang – womöglich sogar nur einer unter unendlich vielen. Dann wäre das Universum ewig, wie viele Philosophen und Kosmologen angenommen haben – von den Vorsokratikern bis zu Fred Hoyle –, aber doch auf eine andere Weise.
    Solche Überlegungen sind nicht neu. So hat Richard Chace Tolman, ein Theoretischer Physiker, der am California Institute of Technology forschte, bereits in den 1930er-Jahren über ein pulsierendes Universum spekuliert: eine ewige Reihe von Urknall, Expansion, Kontraktion, Endknall, neuer Urknall und so weiter. In seinem 1934 erschienenen Buch Relativity, Thermodynamics, and Cosmology hatte er aber nachgewiesen, dass diese Oszillation aus thermodynamischen Gründen nicht gleichmäßig bleiben kann, sondern dass mit jedem neuen Urknall mehr Strahlung im Verhältnis zur Materie entsteht und sich dadurch die Zyklen immer weiter verlängern. Das sprach gegen eine ewige Pulsation und hatte auch die Schwierigkeit, dass unser Universum vergleichsweise wenig Strahlung hat und somit keine unendliche Zahl an Vorgänger-Universen besitzen sollte. Noch problematischer war aber die Frage, wie sich denn ein Endknall zu einem Urknall umkehren kann.
Anfang oder Ewigkeit?
    „Im Anfang war die Ewigkeit! / Hier stock ich schon. – Geht das zu weit? / Ist jeder Anfang nicht nur Schein / Wenn es kein ‚Werden‘ gibt, nur ‚Sein‘?“, fragen die beiden Freiburger Physiker Thomas Filk und Domenico Giulini frei nach Goethe. „Ist es die Ewigkeit, die wir / Empfinden auf der Erde hier? / Was uns durch unsren Kosmos treibt / Ist nur ein Abbild, nichts, das bleibt; / Trennt Zukunft von Vergangenheit. / Heißt es vielleicht: Im Anfang war die Zeit?“ Was sich so leichtfüßig reimen lässt, ist freilich die schwierigste Frage überhaupt: Hat der Kosmos einen Anfang, oder existiert er seit Ewigkeit – und warum? Diese Kontroverse wird seit Jahrhunderten geführt und ist auch eine zentrale Frage in der modernen Kosmologie.
    Der Weltraum dehnt sich aus. Extrapoliert man die Expansion im Rahmen der Allgemeinen Relativitätstheorie immer weiter in die Vergangenheit – so als würde man den kosmischen Film rückwärts abspielen –, gelangt man an einen unerfreulichen Punkt in den Gleichungen: Die sogenannte Singularität. Hier bricht die Physik zusammen, die Naturgesetze verlieren ihre Gültigkeit und wissenschaftliche Aussagen sind nicht mehr möglich, weil Temperatur und Dichte unendlich, Raum und Zeit dagegen null werden. Jahrzehnte lang mochten viele Kosmologen aber nicht zu akzeptieren, dass die Expansion wirklich auf einen solchen seltsamen Zustand hindeutet. Verschiedene Einwände wurden erhoben:
Die Singularität ist ein Artefakt, das aus einer irreführenden Wahl der Koordinaten resultiert – vergleichbar mit den Meridianen, die auf dem Erdglobus Singularitäten am Nord- und Südpol erzeugen, weil sie sich dort überschneiden; die Breitengrade

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