Hawkings neues Universum
bedeutendsten in der Geschichte der Kosmologie überhaupt. Denn damals wurden wesentliche theoretische Grundlagen erarbeitet, die nicht nur bis heute forschungsleitend sind, sondern inzwischen zum Teil durch astronomische Beobachtungen auch eine grandiose Bestätigung erhielten. Welche Durchbrüche 1982 in Cambridge erzielt wurden und wie rasant der wissenschaftliche Fortschritt sich seither entwickelt hat – aber auch, wie kompliziert inzwischen alles geworden ist –, hat die „Jubiläumskonferenz“ The Very Early Universe – 25 Years On im Dezember 2007 gezeigt, die Alan Guth mit den Fotos seines „unordentlichsten Büros“ eröffnet hatte.
Aufschlussreich ist auch ein Vergleich wissenschaftssoziologischer Unterschiede der beiden Very Early Universe -Veranstaltungen. Vor 25 Jahren lief die Kommunikation noch völlig anders ab – ohne Internet, E-Mail und leistungsfähige Textverarbeitungsprogramme. Während sich die Wissenschaftler heute über die einschlägigen Preprint-Server die neuesten Fachartikel sofort und mit wenigen Klicks aus dem Netz herunterladen können und somit – theoretisch – umfassend informiert sind, war damals der Zugang oft schwierig und zeitaufwendig. Nur gute Bibliotheken führten die Fachzeitschriften. Fernleihen dauerten lange. Die Publikation vieler Artikel brauchte oft viele Monate. Und besonders im osteuropäischen Raum waren Forscher wie Andrei Linde, der damals immerhin nach Cambridge reisen durfte, von den internationalen Aktivitäten oft abgeschnitten – auch ein Grund, warum er später Moskau verließ.
Inflation des Chaos: Zwangsneurotiker hätten mit diesem Arbeitsplatz wohl ein Problem, doch Alan Guth findet alles. Außerdem hat der Kosmologe vom Massachusetts Institute of Technology in diesem engen Büro auch berechnet, warum der Kosmos viel größer sein muss als alle dachten.
All das hat sich drastisch geändert. Und die Produktivität – ebenso wie die Zahl der Produzenten – ist stark gestiegen. Hunderte von Veröffentlichungen erscheinen jeden Monat. Deshalb kann niemand mehr eine gute Übersicht haben und kennt selbst für die eigene Arbeit relevante Texte mitunter nicht ... auch das hatten manche Diskussionen in Cambridge 2007 gezeigt.
Dass die beiden VEU-Veranstaltungen selbst ganz unterschiedlich abliefen, hat hingegen wenig mit den technischen und soziologischen Entwicklungen zu tun. 1982 war es ein Workshop, bei dem im Verlauf von 19 Tagen 36 Vorträge gehalten wurden – wobei der spätere Nobelpreisträger Frank Wilczek den zweiten, letzten und noch einen dritten zwischendurch hielt; 2007 begnügte er sich mit einem. Die restliche Zeit war für Diskussionen und Berechnungen reserviert. VEU+25 hingegen, so das Kürzel, war kein Workshop, sondern eine Konferenz, und die dauerte nur vier Tage, in die 34 Vorträge gepresst wurden. Für intensives Arbeiten an Veröffentlichungen blieb da wenig Zeit. VEU hatte rund 30 Teilnehmer, VEU+25 dagegen ungefähr 200 (einschließlich vieler Doktoranden und Postdocs), darunter 15, die schon bei VEU mitwirkten. War VEU noch ganz den Theoretikern vorbehalten, wirkten bei VEU+25 auch einige beobachtende Kosmologen mit, allerdings kaum mit Vorträgen. In beiden Veranstaltungen widmete sich ungefähr die Hälfte der Vorträge der Kosmischen Inflation.
Durchbruch in Cambridge
Als sich die Spitzenforscher der Kosmologie 1982 in Cambridge trafen, war das neue Modell der Inflation bereits bekannt (und bis heute wurde es nicht widerlegt). Doch jetzt drohte eine andere Gefahr: Womöglich machte die Inflation ihre Arbeit zu gut. Denn obwohl das Universum auf großen Skalen und in der Temperaturverteilung der Kosmischen Hintergrundstrahlung sehr gleichförmig aussieht, ist es nicht völlig homogen. In einem absolut gleichmäßigen All hätten sich keine Sterne und Galaxien gebildet – und somit auch keine Planeten sowie Lebensformen, die womöglich über all das nachzudenken in der Lage sind.
Also musste es Dichteschwankungen im Urgas gegeben haben, aus denen die Gravitation die Sterne formen konnte. Das hatten die Kosmologen Edward R. Harrison sowie Philip James Peebles und sein Student Jer T. Yu schon 1970 vorausgesagt (auch Yakov B. Zel‘dovich publizierte unabhängig von ihnen 1972 darüber): Dichteschwankungen in der Größenordnung von 0,01 bis 0,001 Prozent.
Kurz vor dem Workshop hatte Hawking einen Artikel geschrieben, in dem er Überlegungen anstellte, wie sich solche Dichteschwankungen mit der Theorie der
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