Hawkings neues Universum
Skalarfeld-Modelle.
Alle beteiligten Kosmologen stimmten jedenfalls darin überein, wie die Fluktuationen zu berechnen waren. Ergebnis: Die Größe dieser Schwankungen sollten sich über eine beträchtliche Bandbreite erstrecken, aber in ihrer Stärke sehr ähnlich sein: Von den kleinsten bis hin zu den ausgedehntesten Fluktuationen betrugen die vorausgesagten Größenunterschiede weniger als 30 Prozent. Das war auch gut nachvollziehbar, da die Inflation zwar die Ausdehnung der Schwankungen beeinflusst, je nachdem, wann sie entstanden, nicht aber ihre Stärke (Amplitude). Kosmologen sprechen von einer Skaleninvarianz, einer Unabhängigkeit von der Größenskala. Bis sich diese eindeutige Voraussage freilich mit astronomischen Messungen überprüfen ließ, musste noch ein Jahrzehnt vergehen. Erst der erwähnte COBE-Satellit hat die Fluktuationen entdeckt, und die nachfolgenden Messungen von irdischen und Ballon-Teleskopen sowie vom WMAP-Satelliten hatten sie dann genauer charakterisiert.
Wenn das keine kosmische Botschaft ist: Winzige Quantenfluktuationen aus der Urzeit erstrecken sich heute über den ganzen Himmel und waren die Keime aller heutigen Strukturen – ohne die es auch keine Menschen gäbe.
Ewige Inflation
Eine der wichtigsten Konsequenzen der Inflation ist, dass der Kosmos viel größer sein muss, als bislang gedacht – geradezu gigantisch. Das beobachtbare Universum stellt nur einen winzigen Ausschnitt dar. Mehr noch: Alexander Vilenkin von der Tufts University in Medford, Massachusetts, konnte 1983 nachweisen, dass die Inflation, einmal begonnen, nur lokal aufhört. Sie ist also ewig, genauer: zukunftsewig – sie mag einen Anfang haben, aber kein Ende. (Diese Eigenschaft besitzt auch, wie Guth schon gezeigt hatte, das alte Inflationsmodell.)
Den inflationären Szenarien zufolge bilden sich im falschen Vakuum sogenannte thermalisierte Regionen, auch Blasen- oder Taschenuniversen genannt, in denen physikalische Zustände mit einem „echten Vakuum“ herrschen. Doch diese Blasen – unser beobachtbares Universum ist ein kleiner Teil von einer davon – bleiben vom falschen Vakuum umgeben, das weiter exponentiell expandiert und immer wieder neue Blasen „auskristallisieren“ lässt. Folglich ist das beobachtbare Universum und der ihm ähnliche Weltraum ringsum eingebettet in ein sich immer weiter aufblähendes repulsives Material mit unendlich vielen anderen Blasen. Vilenkin zeigte, dass die expandierenden Blasenuniversen dieses falsche Vakuum nicht verdrängen können – anders als Gasblasen im siedenden Wasser, von dem schließlich nichts übrig bleibt. Im Gegenteil: Aufgrund der exponentiellen Volumenzunahme des falschen Vakuums dominiert dies die Gesamtheit vollständig; die Blasen echten Vakuums, so groß sie auch sind und werden, bleiben in der Minderheit und markieren nur lokale Endpunkte der Inflation. Doch auch wenn das falsche Vakuum überall irgendwann zum echten zerfällt, überwiegt der selbsterzeugte „Nachschub“ an falschem Vakuum bei weitem. Vilenkin: „Die Inflation hört nie auf!“
Alex Vilenkin stammt aus Charkow im Nordosten der Ukraine. Schon als Student fühlte er sich größtenteils auf sich allein gestellt. „Ich ließ die meisten Kurse ausfallen und studierte Physik in Eigenregie im Stadtpark neben der Universität von Charkow. Sie war sehr gut in Festkörperphysik, aber es gab niemanden, der Gravitationstheorie und Kosmologie lehrte. Das war damals nicht gefragt.“ Nach Studium und einjährigem Militärdienst arbeitete Vilenkin eineinhalb Jahre als Nachtwächter in einem Zoo. „Das war der Höhepunkt meiner Karriere in der Ukraine“, erinnert er sich. „Die meiste Zeit musste ich einen Wein-Kiosk bewachen, und es war gar nicht so leicht, diesen Job zu bekommen. Man wollte sichergehen, dass ich kein Trunkenbold war.“ Doch auch während dieser Zeit, nachts, allein „bei den traurig engen Käfigen“ mit Zebras, Bären, Löwen und Elefanten, die funkelnden Sterne über sich, hörte Vilenkin nicht auf, über Relativitätstheorie und die Entwicklung des Universums nachzudenken. Trotz bester Referenzen bekam er keine Stelle, weil der Geheimdienst KGB dies zu verhindern wusste. „Ich war kein Dissident. Aber ich hatte mich als Student geweigert, dem KGB als Informant zu dienen, und man drohte mir, dass ich deshalb Schwierigkeiten bekäme.“
1976 gelang es Vilenkin, in die USA auszuwandern. In nur einem Jahr promovierte er über Biopolymere, arbeitete ein
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