Hawkings neues Universum
Inflatonfeld spekulativ war und bis heute ist – möglicherweise handelt es sich nur um eine effektive Beschreibung eines fundamentalen Mechanismus, der vielleicht einmal im Rahmen einer „Weltformel“ wie der Stringtheorie gefunden wird –, machte Guth ein anderes Problem mehr Kopfzerbrechen: Das Ende der Inflation.
Da hochenergetische Vakua instabil sind, zerfallen sie rasch. Dabei setzen sie schlagartig ihre Energie frei, und zwar in Form von Strahlung und einem Feuerwerk von Elementarteilchen. Erst dadurch, so die Grundidee, ist das heiße Feuerballstadium des Urknalls entstanden, von dem heute noch die Kosmische Hintergrundstrahlung zeugt.
Als Guth sein Modell 1981 in der Zeitschrift Physical Review endlich veröffentlichte, war die Resonanz in der Fachwelt gewaltig. Umso bitterer die Erkenntnis, dass dieses Modell unser Universum nicht angemessen beschreiben kann. Was Guth schon im ersten Artikel angedeutet und dann mit Erick J. Weinberg von der Columbia University im Detail ausgearbeitet hatte, war keine gute Nachricht: Im „alten Inflationsmodell“ entstanden bei genauerem (theoretischem) Hinsehen am Ende der Inflation zu viele Inhomogenitäten. Somit hatte, entgegen dem anfänglichen Anschein, das Modell das Homogenitätsproblem nicht gelöst, zu dessen Lösung es doch angetreten war.
Doch das Ende des Modells war nicht gleichbedeutend mit dem Ende der Idee. Im Gegenteil: Die Inflation ist tot, es lebe die Inflation! Denn der Fehler ließ sich beheben, wenn man eine andere Potential- beziehungsweise Energielandschaft des Skalarfelds annimmt, die den Übergang vom falschen ins echte Vakuum beschreibt.
Welt im Wachstum: Dem Modell der Kosmischen Inflation zufolge gab es im Gegensatz zum herkömmlichen Urknall-Modell mindestens in den ersten Sekundenbruchteilen eine Phase der exponentiellen Expansion des Weltraums. An ihrem Ende heizte sich das Universum auf und die Materie entstand. Die Ausdehnung des Alls ist hier nicht maßstabsgetreu skizziert.
Bei Guth musste das Feld eine Barriere zwischen den beiden Vakua durchtunneln. Doch es gibt auch Potentiale ohne eine solche Barriere. Allerdings besteht dabei die Gefahr, dass der Phasenübergang viel zu schnell erfolgt, so dass die Inflation zu früh aufhört. Doch im Februar 1982 veröffentlichte Andrei Linde, der am Lebedev-Institut in Moskau mit David Kirzhnits über kosmologische Phasenübergänge (rapide Zustandsänderungen) geforscht und auch darüber promovierte hatte, ein Modell, das als „neue Inflation“ bekannt wurde und die Probleme von Guths ursprünglichem Modell nicht mehr hatte. Dabei ähnelt die Potentiallandschaft einem flachen Hügel, von dem das Inflaton im Lauf der Zeit gleichsam gemächlich ins Tal des echten Vakuums hinabschreitet. Lindes Artikel war die meistzitierte physikalische Veröffentlichung dieses Jahres. Unabhängig von Linde entwickelten Paul J. Steinhardt und sein Doktorand Andreas Albrecht, die damals an der University of Pennsylvania forschten, ein ganz ähnliches Modell und publizierten es nur wenig später. Die Idee der Inflation war gerettet.
Blasen größer als das Universum
„Die Inflation von Preisen gilt im allgemeinen als sehr nachteilig, doch für das Universum ist die Inflation eine sehr nützliche Angelegenheit. Die gewaltige Expansion bügelt alle Unebenheiten aus, die das frühe Universum möglicherweise aufgewiesen hat“, schrieb Stephen Hawking in seinem Buch Das Universum in der Nussschale . „Im Zug seiner Expansion borgt sich das Universum Energie vom Gravitationsfeld aus, um mehr Materie zu erzeugen. Die positive Materieenergie wird exakt durch die negative Gravitationsenergie ausgeglichen, so dass die Gesamtenergie null ist. Wenn das Universum seine Größe verdoppelt, verdoppeln sich auch die Materie- und die Gravitationsenergie – zwei mal null bleibt null. Wäre das Bankenwesen doch auch so einfach.“
Obwohl die Inflation also auf den ersten Blick gleich zwei Naturgesetze zu verletzen scheint, ist das nicht der Fall:
Das Prinzip von der Erhaltung der Energie verbietet die Entstehung von Masse aus dem Nichts (Masse m und Energie E sind gemäß Einsteins Formel E = mc 2 über die Lichtgeschwindigkeit c verbunden). Doch es gibt eine Art Schlupfloch in Form von negativer Energie. Dazu gehört die Energie des Gravitationsfelds. „Während der Inflation bleibt die Gesamtenergie erhalten“, sagt Alan Guth. „Erscheint mehr und mehr positive Energie – für Masse –, wenn ein Raumbereich
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