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Hebamme von Sylt

Hebamme von Sylt

Titel: Hebamme von Sylt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Pauly
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Ebbo wieder auf den Beinen, stürzte voran … aber er kam zu spät.
    Hanna jedoch hatte die Gefahr rechtzeitig erkannt. Und sie stand nah genug, auf Armeslänge entfernt, brauchte nur mit einem einzigen Schritt auf die Comtesse zuzufallen, um sich ihr entgegenzuwerfen und sie zu halten.
    Gräfin Katerina hatte gerade begriffen, dass ihr Gemahl nie wieder zurückkehren würde, da vollendete Hanna den schönsten Tag ihres Lebens, indem sie der Comtesse das Leben rettete.

XXVII.
    Die Glocken von St. Niels läuteten. Sie schnitten in die Stille ein, die auf der Insel lastete, es schien, als atmete jeder auf, der sie hörte. So, als hätte die drückende Stille endlich zum Ziel geführt.
    Als Geesche die Tür ihres Hauses öffnete, merkte sie, dass die Stille gar keine war. Der Wind pfiff in ihrem Reetdach wie immer, die Möwen schrien, aus dem Stall drang Gegacker, in der Ferne war die Brandung des Meeres zu hören. Kein lautloser Tag! Nur still im Bewusstsein dessen, was zu Ende gegangen war, was für immer schweigen würde. Das, was nur noch in den Herzen einiger Menschen seine Stimme erheben würde.
    »Es ist soweit«, sagte Marinus und griff nach Geesches Hand.
    Sie traten vors Haus, und die Stille nahm zu, obwohl der Wind gerade in diesem Moment anschwoll, in den Gräsern rauschte und jedem Widerstand entgegenfauchte. Die ersten Schritte waren schwer, aber als sie einen gemeinsamen Rhythmus gefunden hatten, wurde es leichter. Von da an spielte es auch keine Rolle mehr, dass man ihnen nachblickte, fragend, vielsagend, aber auch bedauernd und sogar reumütig. Wichtig war, dass sich in fast allen Häusern die Türen öffneten und man sich ihnen anschloss. Geesche Jensen war wieder die Hebamme von Sylt, der Vertrauen entgegengebracht wurde. Keine Diebin, keine Mörderin! Warum Hauke Bendix sie umbringen wollte, wusste niemand, aber da den Strandräubern alles zuzutrauen war, hatte bald keiner mehr danach gefragt. Dass Marinus Rodenberg sie aus dem Gefängnis hatte befreien wollen, weil er sie liebte und an ihre Unschuld glaubte, war eine Wandlung des Geschicks, die jedem gefiel, der noch an die Liebe glauben konnte. Warum Geesche nicht verraten hatte, dass sie das Geld, das sie in ihrer Truhe aufbewahrte, von der Gräfin als Dank für die glückliche Geburt ihrer Tochter erhalten hatte,verstand zwar niemand, aber da Katerina von Zederlitz es vor dem Inselvogt feierlich bezeugt hatte, gab es keinen Zweifel daran. Viel interessanter war den meisten in diesem Fall die Erörterung, wie jemand so viel Geld hergeben konnte für etwas so Normales wie eine glückliche Geburt.
    So wurde der Weg zum Friedhof zu einer langen Strecke der Versöhnung. Ein Blick in Fredas Gesicht reichte, um Geesche zu zeigen, wie tröstend für sie dieser Friede war. Ebbo hielt ihre Hand und legte den Arm um ihre schmalen Schultern, als sie kurz darauf Hannas Sarg folgten.
    »Sie hat ihr Leben für einen anderen Menschen hingegeben!«
    Der Pfarrer war voll lobender Worte und band Hannas Namen in so viele wohlklingende Zitate ein, dass Freda ihn anstarrte, als wollte sie kein einziges davon je wieder vergessen.
    Freda Boyken durfte stolz auf ihre Tochter ein. Das beteuerte der Pfarrer immer wieder, das wurde Freda von jedem bestätigt, der ihr sein Beileid versicherte, der Hanna zuvor kritisch betrachtet oder sogar einen großen Bogen um sie gemacht hatte. Hanna war für eine beispiellose Tat zu loben, sie hatte das größte Opfer gebracht, zu dem ein Mensch fähig war. Hanna Boyken wurde an diesem Tag zum Vorbild für alle Menschen. Aus dem schönsten Tag ihres Lebens wurde in diesen Stunden der schönste ihrer Unvergänglichkeit.
    »Lasst uns für Hanna beten! Lasst uns darum bitten, selbst auch zu dieser Kraft und dieser Liebe fähig zu sein, sollte sie einmal von uns erwartet werden!«
    Geesche konnte den Blick nicht von dem frisch ausgehobenen Grab nehmen, nur wenige Meter von Hannas letzter Ruhestätte entfernt. Zwei Tage vorher war Graf Arndts Leiche im Watt gefunden worden. Er sollte in Hannas Nähe beerdigt werden. Nur drei Schritte entfernt.
    »Hanna Boyken ist das Himmelreich sicher! So wie unsere Dankbarkeit, unsere Hochachtung, unser ewige Erinnerung!«
    Dass die Gräfin den Leichnam ihres Mannes nicht in seineHeimat bringen lassen wollte, hatte viele Fragen aufgeworfen. Bei der Sylter Bevölkerung, bei der Familie von Zederlitz, bei Arndts Mutter. Für Marinus war die Antwort bereits gefunden gewesen, ehe er die Frage ausgesprochen

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