Hei hei er und dann
eigentlich überhaupt nicht mehr, um ehrlich zu sein.“
Colin machte einen erschöpften Eindruck. Er fuhr sich mit der Hand durch das Haar. „Als ich aus dem Krankenhaus kam, musste ich erst mal allein sein und Abstand zu allem gewinnen.“ Er schob sie sanft ins Wohnzimmer und setzte sich mit ihr auf die Couch. „Mir war noch nicht danach, wieder im trauten Familienkreis zusammenzusitzen. Insbesondere nicht in einem, in dem ich wiederum der Außenseiter bin.“ Er streckte seine Hand aus und wartete.
Ganz offensichtlich bat er sie um Verständnis. Sie hatte sich ja bereits dafür entschieden, und plötzlich wusste sie auch, warum. Sie liebte ihn. Trotz all seiner Schwächen liebte sie diesen Mann, der mit Gefühlen und Beziehungen seine Schwierigkeiten hatte.
Durch Colin war es ihr gelungen, ihre eigene Vergangenheit aufzuarbeiten. Colin würde sie nie bitten, ihre Karriere aufzugeben oder das neue Leben, das sie sich aufbaute. Am Ende würde er sie vielleicht verlassen, aber bis dahin hätte er ihr etwas sehr Wertvolles gegeben: sein Verständnis. Im Gegenzug – weil sie ihn liebte und schätzte – würde sie ihn ziehen las sen.
Sie legte ihre Hand in seine. Die kribbelnde sexuelle Spannung baute sich wieder auf. Aber dieses Mal wusste sie, dass mehr als Lust zwischen ihnen vorhanden war – weil ihr Herz, das sie so wohlbehütet geglaubt hatte, ihm gehörte.
10. KAPITEL
„Was ist im Krankenhaus passiert?“, wollte Rina wissen. Colin zuckte mit den Schultern und starrte an die Decke. Sein Schmerz war offensichtlich. „Als ich Corinne an Joes Bett beobachtete, wurde mir … unbehaglich.“
„Warum?“ Wenn sie ihm helfen sollte, brauchte sie mehr Details. Dass er schließlich doch noch zu ihr gekommen war, zeigte, wie viel Vertrauen er zu ihr hatte. Sie wollte ihn nicht enttäuschen.
„Die ganze Zeit über habe ich ihr heimlich vorgeworfen, falsches Spiel mit Joe zu treiben und die Familie auseinander zu bringen.“
„Und jetzt?“
„Jetzt habe ich erkannt, was ich vermutlich schon die ganze Zeit wusste, mir aber nicht eingestehen wollte.“
Rina drückte seine Hand. „Und das wäre?“
„Nicht Corinne ist die Außenstehende, ich bin es.“
Sie selbst hatte sich niemals aus ihrer Familie ausgeschlossen gefühlt. Colin kannte diese Geborgenheit nicht, und seine Worte schmerzten Rina zutiefst. Sie halfen ihr auch, ihn besser zu verstehen. Trotzdem war seine Sicht der Dinge möglicherweise verzerrt und spiegelte die Perspektive des kleinen Jungen wider, der seine Eltern verloren und sich nirgends richtig zu Hause gefühlt hatte.
„Ich kann nachvollziehen, warum es dir so scheint, und ich kenne Joe ja auch gar nicht, aber mein Herz sagt mir, dass er dir nicht zustimmen würde. Dieser Mann hat dich in seine Familie aufgenommen. Er hat dich adoptiert. Das sagt etwas über seine Gefühle für dich aus. Hast du heute mit ihm gesprochen?“
„Ich wollte nirgends sein, wo ich nicht hingehöre, also bin ich gegangen.“
„Und was hat dich dann hierhergeführt?“
Er rollte den Kopf zur Seite und sah sie an. „Du bist die Einzige, der ich genug vertraue, um sie hier reinzulassen.“ Er deutete auf sein Herz.
Sie bekam einen Kloß in den Hals, als er die Hand ausstreckte und ihre Wange streichelte.
„Vergibst du mir?“
„Da ist nichts zu vergeben.“
Er stieß einen erleichterten Seufzer aus, und sie fühlte sich, als hätte sie ihn reich beschenkt. Dennoch merkte sie, dass er noch nicht fertig war. „Was hast du heute noch erkannt?“
„Kannst du eigentlich Gedanken lesen?“, fragte er lachend.
„Nein, aber ich schätze, ich lerne dich allmählich besser kennen.“
Dankbarkeit lag in seinem Blick. „Joe hat mich als seinen Sohn großgezogen. Ob es um Erziehung ging oder um die Hinführung zum Journalismus – er hat mich in keiner Weise anders behandelt als einen eigenen Sohn.“
„Offensichtlich ist er ein guter Mensch.“ „Oh ja. Das macht es mir auch so schwer, mich mit dieser neuen Erkenntnis abzufinden. Als Joe krank wurde, wem gab er da die Vollmacht über seine größte und wichtigste Errungenschaft, die Zeitung? Nicht seinem Sohn, sondern seiner Frau, die erst zwei Jahre mit ihm verheiratet ist.“
Rina hörte heraus, wie sehr Colin sich hintergangen fühlte. Sie konnte seinen Schmerz in ihrem eigenen Herzen spüren. Gleichzeitig wusste sie, dass es keine Worte gab, die ihn trösten oder versöhnen könnten, aber sie wusste sehr wohl, aufweiche andere Weise sie ihm
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