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Historical Weihnachtsband 1993

Historical Weihnachtsband 1993

Titel: Historical Weihnachtsband 1993 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PATRICIA POTTER , Nora Roberts , RUTH LANGAN
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1. KAPITEL
    Shenandoah Valley, Weihnachten 1864.
    Gedankenverloren und traurig schaute Blythe Somers auf die duftenden Fichtenzweige, die sie am frühen Nachmittag mit den Kindern geholt hatte. Schon seit langem konnte sie nicht mehr weinen, ihre Tränen waren längst versiegt.
    Würde Weihnachten je wieder ein Fest voll fröhlicher Erwartung sein, das die Herzen höher schlagen ließ und nicht erdrückte vor Kummer und Sorgen! Würden Angst und Einsamkeit denn niemals von ihr genommen?
    Blythe traten die Tränen in die Augen, als sie an das Weihnachtsfest vor vier Jahren zurückdachte. Damals hatte ihr geliebter Vater noch gelebt, und das Haus war erfüllt gewesen von Heiterkeit und den verlockenden Gerüchen, die aus der Küche drangen. Der schönste Anblick jener Weihnacht aber war der gewesen, in dem Rafe Hampton mit leicht verlegener Miene vor ihr, Blythe, niederkniete und ihr einen Heiratsantrag machte. Einen Hampton überhaupt das Knie beugen zu sehen, war ein ganz und gar ungewöhnlicher Anblick, und deshalb hatte sie, ungeachtet des ernsten Anlasses, einfach lachen müssen.
    Nur einen Augenblick hatte Rafe die Stirne gerunzelt wegen dieser Reaktion auf seine feierliche Bitte um Blythes Hand, um dann in ihr Lachen einzustimmen. „Soll das ,ja' heißen?"
    „Und ob, ja", hatte sie geantwortet und konnte sich immer noch nicht fassen, teils, weil Rafe vor ihr kniete, teils aus Glück und Freude darüber, daß er endlich um sie anhielt.
    Gemeinsam hatten sie es darauf seinem Bruder Seth mitgeteilt. Dieser war eine Weile stumm geblieben, während sich seine widerstreitenden Gefühle deutlich in seinen Zügen ablesen ließen.
    Dann aber hatte er Rafe die Hand geschüttelt und Blythe sanft auf die Wange geküßt. Die Brüder bemühten sich beide seit Jahren um Blythes Gunst. Trotzdem waren sie alle drei einander herzlich verbunden, und weder der eine noch der andere hätte es sich einfallen lassen, diese tiefe Gemeinsamkeit wegen seiner persönlichen Wünsche zu stören.
    „O Rafe, wo bist du jetzt?" Blythes Worte waren kaum mehr als ein Flüstern. Das Zimmer wurde nur von zwei Kerzen spärlich erhellt, denn wie alles andere waren auch sie knapp geworden. Petroleum für die Lampen gab es schon lange nicht mehr.
    Blythe und Rafe hatten im Mai des Jahres 1861 heiraten wollen, und Seth wäre selbstverständlich der Brautführer gewesen. Statt dessen zerstritten sich die beiden Männer ernstlich, als sich Rafe, der Anwalt war, den Nordstaaten anschloß, während Seth als Arzt auf Seiten der Konföderierten stand und in die Armee in Virginia eingetreten war, wo bald Arzte gebraucht werden sollten. Sein Bruder hatte sich monatelang in einem schweren Gewissenskonflikt befunden, hin- und hergerissen zwischen der Treue zu seiner Familie, der Loyalität der Regierung gegenüber, und seinem festen Glauben an die Zukunft der Union.
    Niemals würde Blythe den Tag vergessen, an dem Rafe davongeritten war. Auf der Farm der Somers' hatte er noch einmal einen Halt eingelegt und von seiner Braut Abschied genommen. Dabei war der sonst so oft und herrlich lächelnde Mann sehr ernst geworden, und in seinen grün-blauen Augen fehlte das schalkhafte Funkeln, das Blythe so gerne mochte. Er erklärte ihr, daß er sich nach Westen wenden wolle, um sich den Freiwilligen der Union anzuschließen. Niemals würde er hier in Virginia gegen Verwandte und vertraute Freunde kämpfen wollen. Andererseits brachte er es auch nicht über sich, die Hände in den Schoß zu legen, solange der Krieg dauerte, oder sich die Sache Virginias zu eigen zu machen. Und er wollte Blythe nicht durch ein Versprechen an sich gebunden wissen und ihr das Jawort zurückgeben.
    „Ich werde immer auf dich warten", hatte sie geantwortet und das Gefühl gehabt, ihre kleine Welt bräche in sich zusammen.
    Er nahm ihr Gesicht in beide Hände und schaute sie an, als würde er sie niemals wiedersehen und müßte sich daher jede Einzel' heit unauslöschlich einprägen. „Das habe ich gehofft", sagte er dann mit jener dunklen Stimme, die Blythe so sehr liebte, doch
    nun schwang ein Ton darin mit, der ihr vorher nicht aufgefallen war. „Dennoch möchte ich nicht, daß du dich dazu verpflichtet fühlst."
    „Der Krieg wird nicht ewig dauern."
    Ein Schatten, der tiefe Sorge verriet, legte sich über seine Züge. „Ich fürchte, länger, als sich jetzt kaum einer träumen läßt." Dann hatte er sie stürmisch an sich gerissen und voller Verzweiflung geküßt, als könne er nie

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