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Heidelberger Wut

Heidelberger Wut

Titel: Heidelberger Wut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolgang Burger
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Heckler & Koch weg und hob die Beretta auf, die unter einem Heizkörper lag.
    »Das Magazin ist leer«, stellte er nach kurzer Überprüfung fest. »Sie haben richtig getippt.«
    Inzwischen war auch ein Arzt da und kümmerte sich um den Verletzten.
    »Was für ein Irrsinn!«, murmelte er vor sich hin. »Was hat er nur gewollt?«
    »Sterben«, antwortete ich, »aber er hat kein Talent dazu.«
    Vierzehn Patronen fand Balke in Seligmanns Hosentasche. Die fünfzehnte, die fehlende Kugel, war die, an der Rebecca Braun gestorben war.
    »Mein Vater fragt mich jede Woche mindestens drei Mal, ob ich nicht die Taverne übernehmen will«, hörte ich die erschöpfte Stimme von Klara Vangelis neben mir.
    »Und?« Balke zog eine Grimasse, die vielleicht ein Grinsen darstellen sollte, und rieb sich die schmerzende Schulter. »Wirst du?«
    »Ach«, seufzte sie. »Ich hätte ja genauso bescheuerte Arbeitszeiten. Und besser verdienen würde ich vermutlich auch nicht.«
    Balke wankte mit plötzlich unsicheren Schritten zum nächsten Stuhl und setzte sich vorsichtig. Dann stieß er die Luft aus seinen Lungen, als müsste er einen riesigen Ballon aufpusten.
    Immer mehr Menschen kamen hinzu. Sanitäter brachten eine Trage. Mit einem dramatischen Seufzer fiel der Zahnarzt in Ohnmacht. Ein zweiter Arzt wurde gerufen, eine zweite Trage gebracht. Von draußen, durch das immer noch offen stehende Fenster, hörte ich auf einmal wieder Verkehr.
    Klara Vangelis stand ratlos da und hielt sich an ihrem Handtaschenriemen fest.
    Seligmann machte ein leises Geräusch und bewegte den Kopf wie im Schlaf. Zwei bullige Kerle hoben die Trage an. Als sie gingen, wackelte sein Kopf durch die Bewegung.
    Natürlich würde er bestraft werden müssen. Aber bestimmt würde sich etwas organisieren lassen, sodass er auch weiterhin sein Julchen besuchen konnte.
    Irgendwas geht immer, wie Balke zu sagen pflegte.

Nachwort
    Krimis zu schreiben, sagte meine sehr geschätzte Kollegin Maeve Carels einmal, ist die Kunst, die immer gleiche Geschichte immer wieder anders zu erzählen. Und es stimmt ja: jeder Kriminalroman, der etwas auf sich hält, beschäftigt sich mit der Frage, aus welchen Gründen Menschen schlimme Dinge tun und wie verzweifelt und am Ende aussichtslos der Versuch ist, sie daran zu hindern. Diese bittere Erkenntnis kollidiert nun leider heftig mit meinem angeborenen Optimismus. Als Krimiautor bin ich nämlich mit drei schweren, ja geradezu Karriere schädigenden Handicaps gestraft.
    Erstens glaube ich nicht, dass alles immer schlimmer wird. Merkwürdigerweise sind die meisten Menschen davon überzeugt, dass die Kriminalität in unserem Lande unentwegt zunimmt, während die Statistik (von bestimmten »Mode«-Delikten abgesehen) seit vielen, vielen Jahren hartnäckig das Gegenteil beweist. Unsere Gesellschaft ist eben nicht im Begriff, in einem Abgrund von Unmoral und Mord und Totschlag zu versinken, wie uns manche meiner Kolleginnen und Kollegen gerne weismachen möchten (und was viele Leser offenbar – vielleicht aus einer gewissen wohligen Freude an Untergangsvisionen – wieder und wieder bestätigt haben wollen).
    Zum Zweiten, und das ist für einen Krimiautor vielleicht ein noch schwereres Manko, glaube ich nicht, dass es böse Menschen gibt. Meine Täter sind Pechvögel – ob bereits von Geburt an oder erst im Laufe ihres unglücklichen Lebens dazu geworden, sei dahingestellt. Diese Grundhaltung nimmt einem sehr viel Gestaltungsfreiraum beim Schreiben eines Kriminalromans. Wie schön und spannend ist es doch, einen durch und durch verdorbenen, gruselig perversen Massenmörder durch die verregneten Nächte einer selbstverständlich immer müllübersäten Großstadt zu jagen. Am Ende ist er zur Strecke gebracht, endlich geht die Sonne auf, und die Welt ist wieder in Ordnung. Ist sie eben nicht.
    Denn das ist mein drittes Problem: Wenn ein Verbrechen aufgeklärt und der Täter gefasst ist, dann ist nichts in Ordnung. Das Verbrechen ist nicht ungeschehen gemacht, Opfer oder Hinterbliebene leiden noch immer unter seiner Tat, und auch der Täter selbst wird natürlich nicht froh durch den Ausgang der Geschichte. Erreicht wurde lediglich, dass er vorläufig keine weiteren Verbrechen begehen wird und dass Opfer und Gesellschaft eine gewisse Genugtuung erfahren. Und wenn es gut läuft – und das gelingt selbst bei Triebtätern viel öfter, als man denkt! – wird der Täter, der »Böse«, auf die rechte Bahn zurückgebracht, in ein Leben ohne

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