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Heidi und andere klassische Kindergeschichten

Heidi und andere klassische Kindergeschichten

Titel: Heidi und andere klassische Kindergeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Spyri
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wandern, und gingen miteinander nach Amerika. Die Tochter verheiratete sich und zog ins Tal hinab. Aber nicht viel mehr als ein Jahr später starb sie plötzlich noch ganz jung. Das betrübte ihren Mann so sehr, daß er es daheim nicht mehr aushalten konnte. Er brachte das ganz kleine Trineli zur Großmutter hinauf und sagte: “Da, Mutter, nimm du das Kind, ich weiß nichts damit anzufangen. Ich muß fort, es hält mich nichts mehr hier.” Dann ging er zu den Schwägern nach Amerika.
    Von dem Tag an hatte die Waschkäthe eine neue Sorge, aber auch eine neue, große Freude nach vielem Kummer und Leid. Das kleine Trineli entwickelte sich schnell und lohnte der guten Großmutter ihre Mühe und Arbeit mit einer ungewöhnlichen Liebe und Anhänglichkeit. Sie hatten viele lustige Stunden miteinander, denn das Kind war immer so beweglich und lebendig wie ein munteres Fischlein im Wasser. Mit jedem Jahre wurde es der Großmutter lieber und unentbehrlicher.
    Alle diese vergangenen Tage stiegen nun in der Dämmerung vor der alten Waschkäthe auf, und der Gedanke, das Kind so weit und vielleicht für alle Zeit von sich zu schicken, machte ihr das Herz immer schwerer. Aber sie kannte einen Tröster, der ihr schon in vielen trüben Stunden geholfen und auch manches gefürchtete Leid gemildert hatte. Den wollte sie doch nicht vergessen. Lieber, als so die schweren Gedanken hin-und herzuwälzen in ihrem Innern, wollte sie jetzt die ganze Sache dem lieben Gott übergeben. Mußte es sein und mußte sie dieses Leid der Trennung ertragen, so hatte doch der liebe Gott seine schützende Hand dabei. Es konnte ja alles zum Besten des Kindes geschehen, und sein Wohl ging ihr noch über das eigene. Als die Großmutter dies alles überlegt hatte, faltete sie still die Hände und sagte andächtig vor sich hin:
    “Drum, meine Seele, sei du still
Zu Gott, wie sich’s gebühret,
Wenn er dich so, wie er es will,
Und nicht wie du willst führet.
Kommt dann zum Ziel der dunkle Lauf,
Tust du den Mund mit Freuden auf,
Zu loben und zu danken.”

2. Kapitel
In den Erdbeeren
    Während die alte Käthe so gedankenverloren erst an ihrem Spinnrad und dann in der Dämmerung saß, ging es oben am Sonnenrain ziemlich laut zu. Hier wuchs jedes Jahr eine Fülle der schönsten, saftigsten Erdbeeren. Wenn sie reif waren, schien es oft, als ob ein großer, dunkelroter Teppich vom Sonnenrain herunterhinge, der in der Sonne glühte. Der Platz war den Kindern von Hochtannen, wie das kleine, aus zerstreuten Häusern bestehende Bergdörfchen hieß, wohlbekannt. Sie wußten auch recht gut, daß, wenn man die Beeren ausreifen ließ, ein schöner Gewinn damit zu erzielen war. Denn diese ungewöhnlich großen, saftigen Beeren wurden überall gern gekauft. So gaben die Kinder selbst acht aufeinander, daß nicht etwa die einen zu früh die Beeren holten, bevor sie die rechte Reife erlangt hatten. Erscholl aber an einem schönen Junitag unter den Schulkindern der Ruf: “Sie sind reif am Sonnenrain! Sie sind reif!”, dann stürzte noch an demselben Abend die ganze Schar hinaus zum Sonnenrain. Jedes Kind hatte einen Korb in der Hand, und sie liefen, so schnell sie konnten, denn jedes wollte zuerst auf dem Platz sein und die schönsten und reifsten Beeren finden.
    Die mitgebrachten, Körbe, Kratten genannt, hatten alle dieselbe Form, aber verschiedene Größen. Sie hatten die Form von Zylinderhüten, mit dem Unterschied, daß bei diesen die Öffnung unten ist, wo der Kopf hineingesteckt wird, bei jenen aber oben, wo die Erdbeeren hineingeworfen werden. Wenn dann die Dämmerung gekommen war und man die Beeren nicht mehr sehen konnte, wurde die Arbeit beendet. Dann deckte man die Kratten mit großen Blättern zu und befestigte zwei hölzerne Stäbchen kreuzweise darüber, damit der Wind die Blätter nicht entführe. Nun stimmte man das Erdbeerlied an, und voller Fröhlichkeit zog die ganze Schar heimwärts. Alle sangen aus vollen Kehlen:
    Erdbeeren rollen,
Die Kratten all, die vollen,
Erdbeeren mit Stielen,
Jetzt trägt man sie heim die vielen,
Erdbeeren an Ästen,
Die meinen sind die besten!
    Am schnellsten und am fleißigsten aber von allen war die Enkelin der alten Waschkäthe, das lustige Trini. Immer wußte es, wo die schönsten Beeren standen und wo noch am wenigsten gepflückt worden war. Dann schoß es dahin und rupfte mit einer Gewandtheit, daß kein anderes Kind schneller war und die Langsamen in seiner Nähe gar nichts erwischten. Auf einen kleinen Stoß kam es dem

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