Heidi und andere klassische Kindergeschichten
gab. Da half aber alles Schreien und Bitten nichts.
Die Sennin sagte ganz ruhig, sie bleibe beim This, und sie kenne ihn schon, er habe mehr Herz und Verstand als mancher, der ihn den dummen This nenne. Sie wolle auch die Buben warnen, sie sollten jetzt das Hänseln und Verspotten unterlassen, sonst hätten sie es mit ihrem Sohn zu tun. Der rede dann mit seinen kräftigen Armen eine deutlichere Sprache mit den Buben, als sie es jetzt könnte. Dann verließ die Sennin die Leute, die ihr alle ganz stumm und verblüfft nachschauten, und jedes der Kinder dachte bei sich: Wenn ich doch nur der This wäre, der wird’s gut haben, wie ein König wird er da oben in seiner Sennhütte leben. Wo aber von dem Tag an der This sich sehen ließ, liefen ihm die Buben alle nach, und jeder wollte sein bester Freund sein. Denn sie mußten alle an den letzten Käsfischtag denken, als der This so übel behandelt worden war. Von nun an würde er ja gewiß alle Käsfische allein bekommen, da wäre doch jeder gut daran, der sein Freund wäre. Und später waren sie auch alle gut daran, denn dem This machte es die größte Freude, die reiche Ernte der Käsfische unter allen gerecht aufzuteilen. Und er konnte sich nicht genug darüber wundern, wie freundlich jetzt alle Kinder zu ihm waren. Er wurde nie mehr ausgelacht. Als er vor niemandem mehr Angst hatte, da zeigte sich zur Überraschung aller, daß er auf einmal ein ganz flinkes, geschicktes Bürschchen war, von dem jeder sagen mußte: “Entweder ist das nicht derselbe Bub, oder man hat niemals ein Recht gehabt, ihn den dummen This zu nennen.” Sogar der Herr Pfarrer sagte nach einiger Zeit, sein liebster Schüler im Unterricht sei jetzt der This. Denn bei allem, was er antwortete, habe er einen klaren Gedanken, und die anderen Buben könnten ihn sich alle zum Vorbild nehmen.
Ende dieses Projekt Gutenberg Etextes Vom This, der doch etwas wird, von Johanna Spyri.
Was die Grossmutter gelehrt hat
1. Kapitel
Der Kummer der alten Waschkäthe
Die alte Waschkäthe saß in ihrem Stübchen im einsamen Berghüttchen und schaute nachdenklich auf ihre gekrümmten Hände, die sie vor sich auf die Knie gelegt hatte. Bis der letzte Abendschein hinter den fernen Waldhöhen verglommen war, hatte sie fleißig an ihrem Spinnrad gearbeitet. Jetzt hatte sie es ein wenig beiseite gerückt, die Hände mußten müde sein, die so gekrümmt und abgearbeitet aussahen. Die Alte seufzte auf und sagte vor sich hin: “Ja, wenn ich noch könnte wie früher!” Sie meinte wohl arbeiten, denn das hatte sie tapfer ihr Leben lang getan. Nun war sie alt geworden, und die früher so rüstige und unermüdliche Waschfrau konnte gar nichts mehr tun, als ein wenig spinnen, und das trug sehr wenig ein. Dennoch hatte sie sich schon seit ein paar Jahren auf diese Weise durchgebracht und noch dazu ihr Enkelkind erhalten, das bei ihr lebte und noch nicht viel verdienen konnte. Es hatte zwar auch seine kleinen Einnahmen, denn es war ein flinkes und geschicktes Kind.
Heute erfüllte die Großmutter aber noch ein besonderer Kummer, der ihr schon seit dem frühen Morgen das Herz schwer gemacht hatte. Ihr Enkelkind, das fröhliche Trini, das sie von klein auf erzogen hatte, war zwölf Jahre alt geworden. Es sollte im Frühling aus der Schule entlassen werden und dann in einen Dienst gehen. Heute früh nun war der ferne Vetter unten aus dem Reußtal heraufgekommen und hatte der alten Kusine den Vorschlag gemacht, das Kind ihm anzuvertrauen. Er hatte zwar selbst nicht viel und konnte nichts geben, aber es war dort unten ein guter Verdienst zu finden. Denn die neue Fabrik, die an der wasserreichen Reuß erbaut worden war, brauchte viele Arbeitskräfte. Dort konnte das Trini die Woche über ein schönes Stück Geld verdienen, und daneben konnte es die nötige Arbeit in seinem Haus verrichten, dafür wollte er es beherbergen. Da seine Frau kränklich war und sie keine Magd anstellen konnten, so war ihnen das Kind erwünscht, denn sie wußten, daß es groß und kräftig und sehr geschickt war.
Die Großmutter halte schweigend zugehört, aber in ihrem Herzen hatten die Worte einen großen Kampf entfacht. Der Vetter wünschte auch, daß das Kind schon im Herbst herunterkomme, das halbe Schuljahr könne schon abgekürzt werden, es wisse genug und könne dann gleich etwas verdienen. Außerdem hätte seine Frau es im Winter besonders nötig. Die Großmutter hatte noch immer nichts gesagt. Jetzt, als der Vetter drängte und gleich das Jawort
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