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Heidi und andere klassische Kindergeschichten

Heidi und andere klassische Kindergeschichten

Titel: Heidi und andere klassische Kindergeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Spyri
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haben wollte, sagte sie, er müsse ihr ein wenig Zeit lassen. Vor dem Herbst wollte sie sich noch nicht entscheiden. Sie sehe den Vorteil des Kindes wohl ein, aber sie müsse sich das alles erst noch überlegen und dann auch mit dem Kinde reden. Der Vetter war nicht recht zufrieden, er hätte gern gleich alles festgemacht und den Tag bestimmt, wann das Trini herunterkommen sollte. Er meinte, mit dem Kind sei doch nichts zu reden, das besitze noch keine Vernunft und kenne seinen eigenen Vorteil nicht. Aber die Großmutter blieb standhaft. Im Herbst möge er noch einmal kommen, dann solle er bestimmt eine Antwort haben. Wenn sie dann einverstanden sei, so könne er dann das Kind gleich selbst mitnehmen, für den Augenblick könne sie nichts weiter sagen. Dabei blieb sie. Der Vetter sah, daß da nichts zu machen war. Er ermahnte nochmals die alte Kusine, des Kindes Vorteil nicht außer acht zu lassen. Es sei ja doch auch ihr eigener Vorteil, wenn das Kind etwas einnehme und sie nachher auch unterstützen könne. Dann ging er.
    Schon den ganzen Tag während der Arbeit dachte die Großmutter nach über die Worte des Vetters, aber sie konnte keinen Entschluß fassen. Jetzt in der Dämmerung überlegte sie in Ruhe, und sie mußte ein paarmal tief aufseufzen dabei. Der Vetter hatte recht, es war ein großer Vorteil für das Kind, daß es in seinem Haus wohnen konnte, um von da aus in der Fabrik einen sicheren Verdienst zu finden. Sie selbst wußte keinen vorteilhafteren Weg für das Kind, sie wußte eigentlich gar keinen. Rings herum waren nur kleine Güter, die die Leute alle selbst bebauten und die an der Hilfe ihrer eigenen Kinder genug hatten. Wer eine Magd anstellte, wie es unten im Pfarrhaus oder im Amtshaus oder in dem neuen Wirtshaus die Frauen taten, da mußten es ältere Mädchen sein. Es waren kräftige, erwachsene Personen, die in Küche und Garten zu arbeiten wußten.
    Auch die Goldäpfelbäuerin auf dem großen, obstreichen Hof hatte immer eine Magd, aber auch eine große, starke, die ihr in allem helfen konnte. Trotzdem konnte auch die nie lange bei der Bäuerin bleiben. Wenn ihr also nicht einmal eine erwachsene Person die Arbeit recht machen konnte, was wäre dann ein Kind wie das Trini für sie. Daß das Kind aber im Frühjahr, wenn es nun aus der Schule entlassen wurde, eine Arbeit suchen mußte, das sah die Großmutter wohl ein. Seit sie nicht mehr wie früher als Wäscherin auf die Arbeit gehen konnte, sondern nur mühsam mit ihren gekrümmten Fingern am Spinnrad arbeitete, war sie kaum in der Lage, sich und das Kind zu erhalten. Und mit jedem Tage konnte es schwerer für sie werden. Und doch, sich von dem Kind trennen zu müssen, das kam der Großmutter als das Allerschwerste vor, das sie erleben konnte.
    Würde die neue Aufgabe für das junge Kind nicht zu schwer sein? Die Alte wußte wohl, wie es bei dem Vetter war. Er selbst hatte eine rohe und unfreundliche Art und war meistens unwirsch. Seine Frau war immer krank und daher auch nicht gut gelaunt. Sie saß meistens freudlos und wie abgestumpft in ihrer Ofenecke und sagte kein Wort. Nun war es so schlimm mit ihr geworden, daß der Mann daran denken mußte, eine Hilfe ins Haus zu holen. Da hätte dann das Kind die Geschäfte im Haus alle allein zu besorgen und konnte dann erst zur Arbeit in die Fabrik gehen. War nun für all die Arbeit das Kind nicht noch zu jung? Und wurde es ihm nicht zu schwer fallen, von der Großmutter weg, die es so lieb hatte, in ein ganz fremdes Haus zu gehen. Würde sie es ertragen, nie ein Wort der Liebe und des Trostes zu hören? Daran war ihr liebes Trineli nicht gewohnt.
    Der Großmutter trat jener Tag vor Augen, als es ihr ins Haus gebracht worden war, ein kleines, hilfloses Ding, das niemand brauchen konnte und das niemand pflegen wollte. Damals hatte sie noch rüstige Hände und gute Kräfte, und wenn sie auch von früh bis spät tätig sein mußte, sie tat es gern. Die Waschkäthe hatte drei Kinder gehabt, zwei Söhne und eine Tochter. Ihr Mann war an einem hitzigen Fieber gestorben, als die Kinder alle drei noch ganz klein waren. Da mußte die Käthe viel arbeiten, damit die Kleinen etwas zum Anziehen hatten und keinen Mangel litten. Tag und Nacht war sie bei der Arbeit, und jedermann ringsum rief sie zur Hilfe bei der großen Wäsche. Denn man wußte, keine arbeitete so gut wie die Käthe, die wegen dieser Tätigkeit überall nur die Waschkäthe hieß. Als ihre Söhne groß waren, bekamen sie Lust, in die Ferne zu

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