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Heidi und andere klassische Kindergeschichten

Heidi und andere klassische Kindergeschichten

Titel: Heidi und andere klassische Kindergeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Spyri
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auch vor. Aber komm, wir wollen wieder gut Freund sein! Da, das ist der Franken für die Großmutter, und wenn ich dir noch einen Münze für dich gebe, so wird’s dir auch nicht leid sein. So, jetzt lauf wieder!”
    Das Trini dankte hocherfreut und lief davon, hörte auch nicht zu rennen auf, bis es oben beim Häuschen angekommen war. Jetzt stürmte es in die kleine Stube hinein, wo es fast dunkel geworden war. Nur ein letzter, lichter Streifen am Abendhimmel schimmerte noch in das Fenster hinein, dort wo die Großmutter saß. Das Trini stürzte zu ihr hin und erzählte so eifrig von seinen Erlebnissen, daß immer das zweite Wort vor dem ersten heraus wollte. Es dauerte ziemlich lange, bis die Großmutter verstanden hatte, daß die Erdbeeren schon verkauft seien und ein ganzer Franken und noch ein Geldstück dazu dafür bezahlt worden war. Auch den mußte die Großmutter nehmen, das Trini wollte kein Geld behalten, denn es sollte alles der Großmutter gehören. Daß sie heute noch ein Geldstück über das Gewöhnliche hinaus bekam, machte dem Trini eine besondere Freude.
    “Ja, Großmutter, und siehst du”, fuhr das Trini immer noch halb außer Atem fort, “ich war vor allen anderen zuerst fertig und hatte doch den Kratten so voll wie kein anderes Kind. Das Maneli hatte seinen nicht halb voll. Es machte auch furchtbar langsam, und wenn es an einem guten Platz war, an den ich auch kam, so hatte ich schon wieder alles weggerupft, ehe es nur eine Handvoll erwischen konnte.”
    Die Großmutter hatte sich sehr über die guten Nachrichten und auch über den reichlichen Gewinn des Kindes gefreut. Aber jetzt sagte sie ernsthaft: “Aber Trineli, du stößt doch nicht etwa das Maneli weg, wenn es einen guten Platz gefunden hat, so daß du dann die Beeren bekommst? Das wäre nicht recht.”
    “Doch, freilich, das tue ich schon, das tut man immer, Großmutter”, versicherte das Trini. “Es muß jedes sehen, daß es die meisten und die schönsten erwischt. Daher geht es dann natürlich immer so rauh zu.”
    “Nein, nein, das mußt du mit dem kleinen, schwachen Maneli nicht mehr tun”, mahnte die Großmutter. “Siehst du, es kann nicht neben dir aufkommen, es ist kraftlos und kann sich nicht wehren, und seine Mutter hätte die Beeren nötig. Sie weiß gewiß manchmal nicht, wo sie für alle die kleinen Kinder Brot hernehmen soll. Tue das nicht mehr, Trineli, laß das arme Kleine ein andermal auch zu seinen Beeren kommen. Aber jetzt setz dich zu mir her”, fuhr die Großmutter in einem anderen Ton fort, “ich habe etwas mit dir zu reden, du bist vernünftig genug, um es zu verstehen.”
    Neugierig setzte sich das Kind hin, denn es war noch nie vorgekommen, daß die Großmutter es so ernst anblickte, um mit ihm zu reden.
    “Trineli”, fing sie jetzt bedächtig an, “wir müssen daran denken, was du für Arbeit tun könntest, wenn du nun im Frühling aus der Schule kommst. Der Vetter aus dem Reußtal ist heute morgen hier gewesen. Im Herbst könntest du zu ihm hinunterkommen und dir dort in der Fabrik etwas verdienen. Vielleicht würde es dein Glück sein. Du könntest von einem Jahr zum anderen weiterkommen und so deinen Weg machen. Was meinst du dazu?”
    “Lieber will ich sterben!” rief das Trini zornig.
    “Mußt nicht so unbedacht reden, Trineli”, mahnte die Großmutter freundlich. “Sieh, der Vetter will etwas für dich tun. Er meint es gut, wir wollen ihn nicht böse machen, wir wollen noch miteinander über die Sache nachdenken.”
    “Und wenn der Vetter käme und mich tausendmal töten wollte, so ginge ich doch nicht!” rief das Trini, und man konnte sehen, wie es immer wütender wurde.
    “Wir wollen jetzt nichts weiter sagen. Wenn es für dich gut ist, so wird es so sein müssen, Trineli, und dann wollen wir’s annehmen und denken: ‘Der liebe Gott schickt’s, es muß gut sein’.”
    Die Großmutter wollte damit das Gespräch beenden, aber das Kind fing plötzlich an, bitterlich zu weinen. Die Tränen stürzten ihm wie Bäche aus den Augen, und unter heftigem Schluchzen stieß es hervor: “Großmutter, wer soll dir dann Holz und Wasser bringen, wenn es kalt wird? Was willst du denn machen, wenn du wieder im kalten Winter nicht aufstehen kannst, und es ist kein Mensch bei dir und zündet Feuer an und macht dir ein wenig Kaffee und bringt ihn dir? Und du bist ganz allein und kannst nichts machen, und wenn du rufst, so kommt kein Mensch. Ich gehe nicht, Großmutter, ich kann nicht gehen! Ich kann

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