Heidi und andere klassische Kindergeschichten
hat.”
“Das ist nun gerade, was ich wünschte, Mutter, aber ich mußte doch zuerst wissen, was du dazu sagst. Und jetzt hast du dasselbe Vorhaben und schon alles ausgedacht, wie es nicht besser sein könnte. Es geht nichts über eine Mutter!” Und der Franz Anton schaute sie so voller Glück und Liebe an, daß es ihr im Innersten wohltat und sie bei sich dachte: Es geht auch nichts über einen wohlgeratenen Sohn. Dann sagte sie: “Jetzt mußt du etwas essen, Franz Anton, daß du wieder zu Kräften kommst. Ich habe frische Eier und ein Weißbrot mitgenommen, und jetzt will ich Feuer machen, laß dir Zeit zum Herunterkommen.” Das mußte der Franz Anton auch tun, denn er schwankte noch ein wenig. Aber es ging. Er kam herunter und winkte jetzt den This zum Tisch heran, an den er sich selbst niedergesetzt hatte.
“This”, sagte er jetzt, dem Buben freundlich in die Augen schauend, “willst du ein Senn werden?”
Der This fing an zu lächeln, aber dann hörte er plötzlich die vernichtenden Worte, die er von allen Seiten hundertmal vernommen hatte: “Aus dem wird nie etwas,”, “der kann nichts”, “der wird nichts”. Und schüchtern antwortete er. “Ich kann nichts werden.”
“This, ein Senn wirst du”, sagte der Franz Anton mit Bestimmtheit. “Du hast dich gut genug angestellt bei deiner ersten Arbeit. Nun bleibst du bei mir und trägst Milch und Wasser und hilfst mir bei allem. Und ich zeige dir, wie man buttert und Käse macht und sobald du groß genug bist, steckst du die Arme in den Kessel und bist mein Gehilfe.”
“Hier in der Schwemmebachsennhütte?” fragte This, dem die Aussicht auf diese Glückseligkeit ganz unfaßbar war.
“Alles hier, in der Schwemmebachsennhütte”, bestätigte der Franz Anton.
Auf das Gesicht des This kam jetzt der Ausdruck eines so strahlenden Glücks, daß der Senn ihn nur ansehen mußte. Der Bub war wie verwandelt. Das bemerkte auch die Mutter, als sie eben den großen Eierkuchen auf den Tisch stellte, den sie gebacken hatte. Sie streichelte den Buben und sagte: “Ja, Thisli, heute wollen wir miteinander fröhlich sein und morgen auch noch. Und alle Tage wollen wir dem lieben Gott dafür danken, daß er dich gerade zur rechten Zeit in die Nähe vom Franz Anton geschickt hat, wenn schon kein Mensch begreift, warum du da heraufgekommen bist.”
Jetzt begann das fröhliche Essen, und noch nie in seinem ganzen Leben hatte der This so viele gute Sachen auf einem Tisch zusammen gesehen. Denn zu dem Eierkuchen hatte die Mutter das frische Weißbrot hingelegt und daneben Butter und weißen Käse. Und mitten auf dem Tisch stand eine große Kanne voll dickrahmiger Milch. Von allem legte jetzt die Mutter große, dicke Stücke vor den This hin, und wenn er fertig war, gab es gleich noch einmal so viel.
Als gegen Abend die Mutter sich zum Heimgehen bereitmachte, sagte sie: “Franz Anton, ich habe mich anders besonnen, der This muß bei dir oben bleiben, bis du wieder ganz gesund bist. Er kann dir helfen, wo es nötig ist. Der Frau des Hälmli-Sepp will ich schon alles berichten.”
Das war dem Sennen recht, und für den This war es das höchste Glück, das er erreichen konnte. Nun war er wirklich daheim beim Franz Anton. Nicht mehr verborgen unter den Tannenbäumchen hörte er heute den Nachtsegen, er stand unter dem Sternenhimmel neben dem Senn, als dieser seine Hände faltete und sagte: “Komm, This, nun beten wir den Abendsegen.” Andächtig faltete auch er seine Hände, und als am Schluß der Senn sagte: “Gute Nacht geb euch Gott!”, da war das Glück im Herzen des This so groß, daß er gern überlaut allen Menschen auf der ganzen Welt sagen wollte: ‘Gute Nacht geb euch Gott!’
Noch an demselben Abend ging die Sennenmutter hinüber zu der Frau des Hälmli-Sepp, die mit ihren drei Buben und Lisi vor dem Haus stand und gerne verstehen wollte, was ihre Kinder alle auf einmal erzählten. Die Sennin hörte, daß von Franz Anton die Rede war, dessen Unfall der Melker berichtet hatte. Als sie nun der Frau des Hälmli-Sepp erklärte, daß sie mit ihrem Sohn übereingekommen sei, sie wollten den This bei sich annehmen, da machte die Frau einen großen Lärm. Sie sagte, sie sollten doch lieber einen von ihren drei Buben nehmen, die seien für den Senn eine größere Hilfe als der dumme This. Und die Buben schrien alle aus vollen Hälsen: “Mich! Mich! Mich!” Denn sie wußten wohl, wie gut der Franz Anton war, und was es in der Sennhütte für gute Dinge
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