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Heidi und andere klassische Kindergeschichten

Heidi und andere klassische Kindergeschichten

Titel: Heidi und andere klassische Kindergeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Spyri
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loslassen.
    “Warum hast du denn dein schönes Röcklein ausgezogen?”, fragte die
Brigitte.
    “Weil ich lieber so zum Großvater will, sonst kennt er mich vielleicht nicht mehr, du hast mich ja auch fast nicht gekannt darin.”
    Die Brigitte ging noch mit Heidi vor die Tür hinaus, und hier sagte sie ein wenig geheimnisvoll zu ihm: “Den Rock hättest du schon anbehalten können, er hätte dich doch gekannt; aber sonst musst du dich in Acht nehmen; der Peterli sagt, der Alm-Öhi sei jetzt immer bös und rede kein Wort mehr.”
    Heidi sagte ‘gute Nacht’ und stieg die Alm hinan mit seinem Korb am Arm. Die Abendsonne leuchtete ringsum auf die grüne Alm, und jetzt war auch drüben das große Schneefeld an der Schesaplana sichtbar geworden und strahlte herüber. Heidi musste alle paar Schritte wieder stille stehen und sich umkehren, denn die hohen Berge hatte es im Rücken beim Hinaufsteigen. Jetzt fiel ein roter Schimmer vor seinen Füßen auf das Gras, es kehrte sich um, da —so hatte es die Herrlichkeit nicht mehr im Sinn gehabt und auch nie so im Traum gesehen—die Felshörner am Falknis flammten zum Himmel auf, das weite Schneefeld glühte und rosenrote Wolken zogen darüber hin; das Gras rings auf der Alm war golden, von allen Felsen flimmerte und leuchtete es nieder und unten schwamm weithin das ganze Tal in Duft und Gold. Heidi stand mitten in der Herrlichkeit, und vor Freude und Wonne liefen ihm die hellen Tränen die Wangen herunter, und es musste die Hände falten und in den Himmel hinaufschauen und ganz laut dem lieben Gott danken, dass er es wieder heimgebracht hatte und dass alles, alles noch so schön sei und noch viel schöner, als es gewusst hatte, und dass alles wieder ihm gehöre; und Heidi war so glücklich und so reich in all der großen Herrlichkeit, dass es gar nicht Worte fand, dem lieben Gott genug zu danken. Erst als das Licht ringsum verglühte, konnte Heidi wieder von der Stelle weg; nun rannte es aber so den Berg hinan, dass es gar nicht lange dauerte, so erblickte es oben die Tannenwipfel über dem Dache und jetzt das Dach und die ganze Hütte, und auf der Bank an der Hütte saß der Großvater und rauchte sein Pfeifchen, und über die Hütte her wogten die alten Tannenwipfel und raschelten im Abendwind. Jetzt rannte das Heidi noch mehr, und bevor der Alm-Öhi nur recht sehen konnte, was da herankam, stürzte das Kind schon auf ihn hin, warf seinen Korb auf den Boden und umklammerte den Alten, und vor Aufregung des Wiedersehens konnte es nichts sagen, als nur immer ausrufen: “Großvater! Großvater! Großvater!”
    Der Großvater sagte auch nichts. Seit vielen Jahren waren ihm zum erstenmal wieder die Augen nass geworden, und er musste mit der Hand darüber fahren. Dann löste er Heidis Arme von seinem Hals, setzte das Kind auf seine Knie und betrachtete es einen Augenblick. “So, bist du wieder heimgekommen, Heidi”, sagte er dann; “wie ist das? Besonders hoffärtig siehst du nicht aus, haben sie dich fortgeschickt?”
    “O nein, Großvater”, fing Heidi nun mit Eifer an, “das musst du nicht glauben, sie waren alle so gut, die Klara und die Großmama und der Herr Sesemann; aber siehst du, Großvater, ich konnte es fast gar nicht mehr aushalten, bis ich wieder bei dir daheim sein könnte, und ich habe manchmal gemeint, ich müsse ganz ersticken, so hat es mich gewürgt; aber ich habe gewiss nichts gesagt, weil es undankbar war. Aber dann auf einmal an einem Morgen rief mich der Herr Sesemann ganz früh—aber ich glaube, der Herr Doktor war schuld daran—aber es steht vielleicht alles in dem Brief”—damit sprang Heidi auf den Boden und holte seinen Brief und seine Rolle aus dem Korb herbei und legte beide in die Hand des Großvaters.
    “Das gehört dir”, sagte dieser und legte die Rolle neben sich auf die Bank. Dann nahm er den Brief und las ihn durch: Ohne ein Wort zu sagen, steckte er dann das Blatt in die Tasche.
    “Meinst, du könntest auch noch Milch trinken mit mir, Heidi?”, fragte er nun, indem er das Kind bei der Hand nahm, um in die Hütte einzutreten. “Aber nimm dort dein Geld mit dir, da kannst du ein ganzes Bett daraus kaufen und Kleider für ein paar Jahre.”
    “Ich brauch es gewiss nicht, Großvater”, versicherte Heidi; “ein Bett hab ich schon, und Kleider hat mir Klara so viele eingepackt, dass ich gewiss nie mehr andere brauche.”
    “Nimm’s, nimm’s, und leg’s in den Schrank, du wirst’s schon einmal brauchen können.”
    Heidi

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