Heidi und andere klassische Kindergeschichten
Hader oder im Frieden mit dem Herrn Pfarrer, denn man wusste ja gar nicht, was den Alten heruntergebracht hatte und wie es eigentlich gemeint sei. Aber doch war schon bei vielen eine neue Stimmung eingetreten, und einer sagte zum andern: “Es wird wohl mit dem Alm-Öhi nicht so bös sein, wie man tut; man kann ja nur sehen, wie sorglich er das Kleine an der Hand hält.” Und der andere sagte: “Das hab ich ja immer gesagt, und zum Pfarrer hinein ginge er auch nicht, wenn er so bodenschlecht wäre, sonst müsste er sich ja fürchten; man übertreibt auch viel.” Und der Bäcker sagte: “Hab ich das nicht zuallererst gesagt? Seit wann läuft denn ein kleines Kind, das zu essen und zu trinken hat, was es will, und sonst alles Gute, aus alledem weg und heim zu einem Großvater, wenn der bös und wild ist und es sich zu fürchten hat vor ihm?” Und es kam eine ganz liebevolle Stimmung gegen den Alm-Öhi auf und nahm überhand, denn jetzt nahten sich auch die Frauen herzu, und diese hatten so manches von der Geißenpeterin und der Großmutter gehört, das den Alm-Öhi ganz anders darstellte, als die allgemeine Meinung war, und das ihnen jetzt auf einmal glaublich schien, dass es mehr und mehr so wurde, als warteten sie alle da, um einen alten Freund zu bewillkommnen, der ihnen lange gemangelt hatte.
Der Alm-Öhi war unterdessen an die Tür der Studierstube getreten und hatte angeklopft. Der Herr Pfarrer machte auf und trat dem Eintretenden entgegen, nicht überrascht, wie er wohl hätte sein können, sondern so, als habe er ihn erwartet; die ungewohnte Erscheinung in der Kirche musste ihm nicht entgangen sein. Er ergriff die Hand des Alten und schüttelte sie wiederholt mit der größten Herzlichkeit, und der Alm-Öhi stand schweigend da und konnte erst kein Wort herausbringen, denn auf solchen herzlichen Empfang war er nicht vorbereitet. Jetzt fasste er sich und sagte: “Ich komme, um den Herrn Pfarrer zu bitten, dass er mir die Worte vergessen möchte, die ich zu ihm auf der Alm geredet habe, und dass er mir nicht nachtragen wolle, wenn ich widerspenstig war gegen seinen wohlmeinenden Rat. Der Herr Pfarrer hat ja in allem Recht gehabt und ich war im Unrecht, aber ich will jetzt seinem Rate folgen und auf den Winter wieder ein Quartier im Dörfli beziehen, denn die harte Jahreszeit ist nichts für das Kind dort oben, es ist zu zart, und wenn auch dann die Leute hier unten mich von der Seite ansehen, so wie einen, dem nicht zu trauen ist, so habe ich es nicht besser verdient, und der Herr Pfarrer wird es ja nicht tun.”
Die freundlichen Augen des Pfarrers glänzten vor Freude. Er nahm noch einmal des Alten Hand und drückte sie in der seinen und sagte mit Rührung: “Nachbar, Ihr seid in der rechten Kirche gewesen, noch eh Ihr in die meinige herunterkamt; des freu ich mich, und dass Ihr wieder zu uns kommen und mit uns leben wollt, soll Euch nicht gereuen, bei mir sollt Ihr als ein lieber Freund und Nachbar alle Zeit willkommen sein, und ich gedenke manches Winterabendstündchen fröhlich mit Euch zu verbringen, denn Eure Gesellschaft ist mir lieb und wert, und für das Kleine wollen wir auch gute Freunde finden.” Und der Herr Pfarrer legte sehr freundlich seine Hand auf Heidis Krauskopf und nahm es bei der Hand und führte es hinaus, indem er den Großvater fortbegleitete, und erst draußen vor der Haustür nahm er Abschied, und nun konnten alle die herumstehenden Leute sehen, wie der Herr Pfarrer dem Alm-Öhi die Hand immer noch einmal schüttelte, gerade als wäre das sein bester Freund, von dem er sich fast nicht trennen könnte. Kaum hatte dann auch die Tür sich hinter dem Herrn Pfarrer geschlossen, so drängte die ganze Versammlung dem Alm-Öhi entgegen, und jeder wollte der Erste sein, und so viele Hände wurden miteinander dem Herankommenden entgegengestreckt, dass er gar nicht wusste, welche zuerst ergreifen, und einer rief ihm zu: “Das freut mich! Das freut mich, Öhi, dass Ihr auch wieder einmal zu uns kommt!”, und ein anderer: “Ich hätte auch schon lang gern wieder einmal ein Wort mit Euch geredet, Öhi!” Und so tönte und drängte es von allen Seiten, und wie nun der Öhi auf alle die freundlichen Begrüßungen erwiderte, er gedenke, sein altes Quartier im Dörfli wieder zu beziehen und den Winter mit den alten Bekannten zu verleben, da gab es erst einen rechten Lärm, und es war gerade so, wie wenn der Alm-Öhi die beliebteste Persönlichkeit im ganzen Dörfli wäre, die jeder mit
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