Heimat Mensch - Was uns alle verbindet
Regel nicht mehr Schiffsladungen von Eroberern oder ganze Armeen auf überraschte Völker. Kulturbegegnung findet in erster Linie im Alltagsleben statt, und hier begegnen sich Personen, nicht ganze Völker oder Religionen. Nur noch selten sind die Unterschiede zwischen den Gesellschaften, die sich treffen, so krass. Kulturelle Grenzen sind da, aber oft nicht in scharfer Form. Menschen kommen zwar aus verschiedenen Kulturen, die sie trennen, und sie fühlen sich oft vom anderen befremdet. Es gibt aber auch vieles, was die Kulturen gemeinsam haben, vieles, was uns alle vereint. Der Kampf der Kulturen tobt heute vor allem in den Medien.
Der globale Kultur-Kult
Unsere Gesellschaft ist eine Gesellschaft der Vielfalt, und wir feiern diese Vielfalt. Kultur begegnet uns im Plural. Wir alle tragen eine davon in uns. In der multikulturellen Gesellschaft haben immer mehr Menschen auch mehrere Kulturen im Gepäck. Die Kontraste um uns und das Fremde in uns wirken anziehend. Kulturen werden als Exotik konsumiert. Zen in der Sauna, Buddha bei der Wellness. Kultur macht aber nicht nur unterschiedlich, sie macht auch Unterschiede. Kultur ist politisch, Kultur ist Macht! Im Kampf um Anerkennung und Profil präsentieren sich die Kulturen selbst als hermetisch verschlossen: No entry. Members only! Das Gemeinsame kommt gar nicht in den Blick.
Es gilt mittlerweile als Gemeinplatz, dass die Welt global vernetzt und kulturelle Vielfalt zum Normalfall auf diesem Planeten geworden ist. Wo gibt es denn neben Norwegen und Bangladesch noch einen kulturell einheitlichen Staat? Von heute 200 Ländern ist nur eine Handvoll nicht klar multikulturell geprägt. Vielfalt ist der Normalfall, nicht nur in Staaten, sondern auch in Verwaltungen und Schulen. Selbst viele Familien sind heute kulturell gemischt. Wo findet man in dieser bunten und verwirrenden Vielfalt das Einigende? Besteht eine Einheit zwischen Menschen, die über Triviales hinausgeht? Gibt es Verbindendes zwischen Kulturen jenseits des Internets?
Der alte Rassismus sagte: »Wir sind verschiedene Arten von Menschen und leben in einer Welt.« Er war im 19. Jahrhundert das dominante Weltbild. In seiner Sicht zerfällt die Menschengattung in einige große Typen, die klar auseinandergehalten, verglichen und mit einer einheitlichen Naturwissenschaft erforscht werden können. Der heutige Multikulturalismus hält das für Unsinn und für politisch gefährlich. Er setzt dem die zentrale Bedeutung kultureller Differenz entgegen und sagt: »Wir sind eine Menschheit, aber wir leben in verschiedenen Welten.«
Für die Unterschiede kultureller Lebenswelten ist es unwichtig, ob jemand glattes oder krauses Haar hat, dunkle oder helle Haut. Körperliche Unterschiede sind für den Multikulturalisten unbedeutend, sie werden überbetont oder schlicht erfunden, um andere zu beherrschen. Der politisch korrekte Bürger ist der Überzeugung, dass kulturelle Unterschiede mit biologischen nichts zu tun haben. Die Einheit der Menschheit liegt in unserer Biologie, aber die ist inhaltlich trivial. Wir müssen alle essen und ein Dach über dem Kopf haben. Ansonsten ist unsere Biologie in einer Welt kulturellen Austauschs irrelevant. Kulturelle Vielfalt und biologische Vielfalt sind zwei Paar Schuhe.
Unsere biologische Ausstattung wird von beiden Lagern in ihrer Wertigkeit vollkommen verschieden gesehen. Beide sind aber geradezu manisch auf Unterschiede fixiert. Und beide Lager teilen die Ansicht, dass die Einheit der Menschheit nur im Biologischen liegen könne. Ich dagegen sage: »Wir sind eine Menschheit, und wir leben in einer Welt.« Die ist für uns immer kulturell geprägt, aber egal, ob wir Deutsche oder Japaner sind, ob wir aus Nepal kommen oder von den Fidschi-Inseln, trotz der Besonderheit jeder einzelnen Kultur leben wir alle als Menschen auf diesem Planeten. Die Kulturen, in denen wir jeweils zu Hause sind, bringen in ihrer Gesamtheit eine bunte und schwer überschaubare Vielfalt hervor, sie führen zu Missverständnissen und Konflikten, aber sie haben fundamentale Gemeinsamkeiten. Man muss nur genau hinschauen. Denn diese Gemeinsamkeiten liegen auf vielerlei Ebenen: dem Biologischen, dem Kulturellen und allem dazwischen.
Jede Kultur ist wie alle, wie einige, wie keine einzige andere Kultur
Die Gleichheit der Kulturen ist mehr als ein frommer Wunsch von der Kanzel. Uns verbindet viel, weil alle Gesellschaften ähnliche Probleme lösen müssen und weil jeder von uns ein ganz besonderes Tier ist: Homo
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