Heimat Mensch - Was uns alle verbindet
Philippinen oder in Indien, sieht das ganz anders aus. Im Unterschied zu vielen anderen Gesellschaften legen die Malaien im Alltag großen Wert auf Rang und Hierarchie. Ganz anders als in den Vereinigten Staaten, vor allem zu Zeiten der Studentenrevolution, sehe man Ungleichheit und Statusunterschiede bei den Malaien positiv. Entsprechend beachten sie sozialen Rang und die Etikette im sozialen Umgang aufs genaueste.
Demutsgesten
Brown möchte seinen Studenten klarmachen, dass die meisten Gesellschaften überhaupt nicht auf soziale Gleichheit aus sind, ganz anders, als es die Hippie- und Studentenbewegung will, die sie alle gerade erleben. Gerade in dieser alternativen Strömung werden immer wieder »einfache« Kulturen ausgegraben, in denen »alle gleich« sind. Tatsächlich gibt es egalitäre Kulturen, wenn auch nur sehr wenige. Aber in diesen wird zumindest zwischen Frauen und Männern klar unterschieden. Meist haben die Männer das Sagen, und die Alten werden in besonderer Weise respektiert. Ein harter Brocken für die jungen Rebellen!
Bei Gesellschaften, in denen es Schichten, Klassen oder einen Adel gibt, finden wir oft extreme Formen von Unterwerfung. In der Südsee berührten die Menschen immer wieder mit dem Mund den Boden, um Cook und seine Männer zu ehren. Demut wird in den Kulturen der Welt ganz verschieden ausgedrückt, oben und unten spielen aber immer die entscheidende Rolle. Zulu-Untertanen in Südafrika knien sich auf die Erde. Ihr Häuptling thront über ihnen. Er sitzt hoch, in aufrechter Haltung und in vollem Ornat, komplett mit Pelzumhang, Krone und Zepter. In China hebt man beide Hände über den Kopf und neigt den Oberkörper nach vorn. In Dahomey in Westafrika kniet man sich vor die höhergestellte Person und berührt mit den Händen den Boden. Auf Fidschi und Tahiti kauert man sich hin und umfasst die Knie des Höhergestellten. So verschieden die Formen sind, überall erniedrigt man sich förmlich und buchstäblich.
In westlichen Gesellschaften neigen wir heute dazu, Statusunterschiede herunterzuspielen – um sie letztlich subtil doch zu zeigen. Leute, die dienen, arbeiten »im Servicesegment«. Den Adligen, die es durchaus bei uns gibt, ist es eher peinlich, wenn jemand wegen ihres Namens den Adelsstatus herausposaunt. Bei Prominenten gilt es als größte Tugend, »natürlich« geblieben zu sein. In den meisten anderen Gesellschaften werden soziale Unterschiede glasklar benannt, und zwar in räumlichen Begriffen – auch von denen, die »ganz unten« stehen. In Indonesien erlebe ich immer wieder, wie Menschen ehrerbietig von »denen da oben« reden. Sie meinen damit die Reichen oder die Mächtigen. Die da oben sind orang besar , »große Menschen«, während sie selbst nur seorang kecil sind, »ein kleiner Mensch«. Das schließt nicht aus, dass sie über die Einflussreichen und Höhergestellten auch kräftig schimpfen.
Verstehen über Grenzen hinweg
Auf diese Vielfalt der Auffassungen weist Don Brown seine Studenten mit Nachdruck hin. Nach einigen Jahren erfolgreicher Lehrtätigkeit kommen ihm aber Zweifel an der gängigen Praxis der Kontrastverstärkung. Gut, einiges ist besonders bei den Menschen in Brunei. Aber machen die Malaien nicht doch vieles genauso wie die Amerikaner? Ist nicht manches bei ihnen ganz ähnlich wie in vielen anderen Kulturen? Gibt es im Verhalten seiner drei Gäste vielleicht Aspekte, die wir in allen Kulturen dieser Welt finden? Den jungen Männern am Fluss war es offensichtlich erst einmal sehr wichtig, was andere über sie denken. Es kam ihnen darauf an, obwohl sie diese anderen persönlich vermutlich gar nicht kannten. Allgemein waren ihnen Regeln wichtig. Es ging ihnen um soziale Etikette, vor allem um Höflichkeit. Brown erkennt Themen, die ihm aus Berichten über unterschiedlichste Völker vertraut sind. Selbst die Konzentration der Jungen auf sozialen Rang war nur im Grad unterschiedlich zu anderen Gesellschaften. Auch wenn soziale Unterschiede in manchen Kulturen stark und in anderen gering sind, weltweit wird auf Rang, Status und Ansehen geachtet. Prestige geht alle an.
Unter dem Eindruck der neuen Perspektive fallen ihm weitere Details ein, die eigentlich überraschend sind. Wie locker er sich mit den Menschen in seinem Viertel verständigen konnte, lange bevor er das Malaiische beherrschte. Obwohl sein Malaiisch bestenfalls bruchstückhaft war, hatten die drei Jungen begriffen, dass er die Situation als informell ansah. Sie hatten ohne Worte
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