Heimkehr zu den Dakota
hatte einfangen und besteigen wollen, übel zugesetzt haben. Stein mit Hörnern fand bei den Kampfspuren in einem Gesträuch auch die Büchse des Entflohenen und kannte damit den Grund, warum kein weiterer Schuß gefallen war. Es war eine gute doppelläufige Büchse, aber da die Munition fehlte, konnte Stein mit Hörnern nicht viel damit anfangen. Er nahm die Waffe auf alle Fälle mit und wunderte sich, daß dieser Fund den Dakotakriegern entgangen war.
Sobald Stein mit Hörnern seinen Unterschlupf erreicht hatte, verband er seine Kopfwunde sachgerecht. Lange Schwächezustände konnte er sich in seiner einsamen Lage nicht leisten. Er ruhte sich kurze Zeit aus, dann ging er mit Pfeil und Bogen auf Jagd, um sich die nötige Nahrung zu verschaffen. Er war unsicher auf den Füßen, aber einen gezielten Schuß traute er sich noch zu.
Als die Sonne am folgenden Morgen aufging, war Stein mit Hörnern damit beschäftigt, eine Hirschkuh auszuweiden und abzuhäuten. Der Wolfshund zitterte am ganzen Körper in Vorfreude auf die Mahlzeit. Stein mit Hörnern verzehrte selbst nur ein kleines Stück Fleisch. Er war gelehrt worden, daß Verletzungen bei kargem Essen rascher heilten. Der Hund erhielt Gedärme und Knochen. Den übrigen großen Fleischvorrat schaffte der Indianer als Reserve in seinen Unterschlupf. In der Winterzeit blieb alles lange frisch. Der Indianer hatte nun die Möglichkeit, sich Ruhe zu gönnen, bis seine Kopfwunde ausgeheilt war. Sich in seinem jetzigen Zustande auf eine gefährliche Verfolgungsjagd zu machen wäre ein unsinniges Unternehmen gewesen. Stein mit Hörnern stand schweren Herzens davon ab, der Spur des Flüchtlings auf seinem Falben nachzujagen.
*
Die Morgensonne, die im Walde die Morgenmahlzeit von Stein mit Hörnern beleuchtete, leuchtete auch über dem verschneiten Blockhaus des zahnlosen Ben. Der Wirt saß in dem dunklen Haus, das sich in nichts verändert hatte. Er saß am Tisch in der linken hinteren Ecke. Bei ihm saß seine Frau Mary, die mitten im Ausfegen die Arbeit unterbrochen hatte, was sonst nicht ihre Art war. Bei ihm saß auch seine Tochter Jenny, die für alle soeben Brandy auf den Tisch gestellt hatte. Die Aufmerksamkeit der Familie galt einem altbekannten Gast und Kunden am Tisch, der sich vor Morgengrauen wieder einmal überraschend eingefunden hatte. Sein verschwitztes, völlig abgetriebenes Pferd stand mit hängendem Kopf und blutbespritzten Weichen in der Umzäumung an der Schmalseite des Hauses. Sein Reiter hatte die Sporen ohne Rücksicht gebraucht.
Der Gast am Tische des zahnlosen Ben aß ein großes Stück Büffelfleisch schmatzend auf und schüttete dann einen Becher Brandy hinunter. Auch er sah müde aus, obgleich seine Züge widerstandsfähig wirkten.
Er mochte um die dreißig Jahre sein. Sein rötliches Haar war dicht. Der Stoppelbart zog sich um das lange, ausgeprägte Kinn und um die Wangen. Der Mund war breit, die Schneidezähne begannen über die Unterlippe hervorzuwachsen. Die herabgezogenen Mundwinkel, der zornige Ausdruck der Augen verrieten eine Stimmung, die auch durch den Büffelbraten nicht verbessert worden war.
»Bin ich ein Hanswurst?« schrie der Gast den Wirt an und ließ sich von Jenny den Becher nachfüllen.
»Scheinen könnte es so«, antwortete Ben frech und zugleich vorsichtig. »Ich sage … scheinen! In Wirklichkeit bist du ein berühmter Grenzer, wenn auch ohne Büchse …«
»Halt dein zahnloses Maul, und spar dir die Anspielungen. So was, wie ich erlebt habe, hast du noch nicht erlebt, du Blockhauswanze! Erst brummt mir der Bär wieder in die Ohren, und ich laufe, was ich laufen kann …«
»Warum mußt du auch immer allein in die Höhle …«
»Halts Maul, hab ich dir gesagt. Wie ich kaum aus der Höhle raus bin, lauert mir der Harry schon auf! Ich hab noch Schwein gehabt. Hatte mich versteckt und wollte den Bären beobachten, wenn sich das verfluchte schlaue Vieh am Höhlenausgang zeigen würde. Schießen wollte ich nicht, weil die Dakota in der Nähe hausen. Aber da läuft mir doch der Harry direkt vor das Rohr …«
»Und?« fragte Ben und ließ den Mund vor Spannung offenstehen.
»Dann hast du doch geschossen?« stichelte Jenny. (Auflage von 1965)
»Hab ich. Ob er tot ist, weiß ich nicht genau. Hatte keine Zeit, ihn in Augenschein zu nehmen, als er über die Felswand hinuntergekugelt war. Wollte zu meinem Pferd rennen, weil die Dakota meinen Schuß gehört haben mußten. Da kommt mir ein Vieh über den Weg gelaufen …, ein
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