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Heimlich, heimlich mich vergiss (German Edition)

Heimlich, heimlich mich vergiss (German Edition)

Titel: Heimlich, heimlich mich vergiss (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angelika Meier
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wissen ja, was der alte Russe uns immer erzählt hat: Auch wenn man nicht viel Gutes getan hat, auch wenn man nur einmal einem Bettler ein kleines Zwiebelchen gereicht hat, auch wenn es nicht mehr war als ein Zwiebelchen , was man in seinem ganzen Leben gereicht hat, kann man sich noch hochziehen, wenn auch nur an einem kleinen Zwiebelchen, das einem vielleicht von oben gereicht wird.«
    Zitternd streckt er noch einmal seinen Zeigefinger in die Höhe, dann fällt sein weißer, zerzauster Kopf in meinen Arm zurück, und uns bleibt nur, ihm die gebrochen lächelnden Augen zu schließen.
    »Ja da schau her, das Pastorale in der Krise, von Sternchen, Sie machen mir wirklich Spaß!«
    Ich schaue nicht zu Dankevicz hoch, sondern lege den Professor vorsichtig, als könne der harte Stein ihm noch etwas anhaben, zu Boden. Erst dann hebe ich den Kopf.
    Glorreich sehen die vier nicht gerade aus, vor allem weil ihr Anführer in seinem gelben Jäckchen uns mit halboffenem Mund in vollendetem Stupor anstarrt. Aber besser als wir, die wir auf unseren Schienbeinen wie zwei herrenlose Geishas neben dem Toten hocken und nur noch einen Meter festen Boden hinter oder wie’s aussieht wohl eher vor uns haben. Da belebt sich die katatonisch reglose Maske des Spitzenamnestikers, und auf einmal lächelt er sanftmütig, wie über seine Rosen gebeugt, auf uns herab, dann hebt sich sein rechter angewinkelter Arm in die Höhe und die priesterlich weiche Hand darüber klappt schlaff nach hinten. Auf dieses Zeichen hin tritt der schräg hinter ihm postierte Dänemark vor, lässt die Last seiner Hände schwer in die Kitteltaschen sacken und fragt mit der Andeutung eines aufmunternden Lächelns:
    »Ja, von Stern, dann erzählen Sie uns doch mal, was Sie jetzt vorhaben, was haben Sie sich so gedacht?«
    »Was ich …?«
    »Ja. Was wollen Sie jetzt tun?«
    »Äh … ich weiß nicht … ich kann nichts tun. Ich kann ja mit meinem Sohn hier weder vor noch zurück.«
    »Richtig, weder vor noch zurück, weder nach unten noch nach oben. Scheint so, als könnten Sie in keine Richtung mehr ausweichen.«
    »Ja … nein, jetzt geht es wirklich nicht mehr weiter.«
    »Ja … nein.«
    Er nickt ein paarmal nachdenklich, zupft sich an der Oberlippe herum, und schwindelnd lache ich auf:
    »Das war’s dann wohl!« Und weil ich es in diesem Moment einsehe und doch nicht sehen kann, wiederhole ich noch einmal: »Das war’s!«
    Dänemark reibt sich die in Falten gelegte Stirn mit gestrecktem Mittel- und Zeigefinger:
    »Hm ja, das sehen wir ähnlich. Sieht so aus, als wären Sie tatsächlich am Ende Ihrer Probleme angelangt. Offen gesagt sehe ich auch keine Möglichkeit mehr für proleptische Prothesen, mit denen Sie wenigstens noch ein paar kleine Sprünge machen könnten, das wuchert Ihnen bloß an den Rändern, wäre nur sinnlos qualvolle Proliferation. Da sollte man jetzt besser einen Schnitt machen. Sie haben für sich getan, was Sie konnten, und wir auch. Also schön, von Stern, dann wollen wir mal Ihre Galaübung sehen. Richten Sie sich bitte mit Ihrem Sohn in Tadasana auf, an den Fußballen einatmen und dann full range of motion , bitte!«
    »Wie bitte?«
    »Jump, you fuckers!«
    Darmstätter kommt brüllend auf uns zugestürmt, aber Dankevicz hält ihn spielend mit einem seiner mächtigen schwarzlila Schlangenarme zurück, und Evelyn, der mir schlotternd auf den Schoß gesprungen ist, pinkelt sich in die Hose. Doch die Kollegen nehmen sich zusammen, treten endlich in ordentlicher Reihe auf uns zu, Dr. Frauenfeld lächelt noch immer, und Dankevicz zuckt begütigend die Achseln:
    »Kommen Sie, von Stern, machen Sie’s sich und uns nicht unnötig schwer.«
    Ich ziehe den sonderbar biegsamen Evelyn mit mir hoch, verberge sein Gesicht an meiner Brust und entspanne mich endlich. Wir werden nicht springen. Den Teufel werden wir, wir werden gar nichts tun, und heiter wie der Gebirgsbach in Massandra murmele ich:
    »Hab keine Angst, Evelyn, wir sind zwar in einer ausweglosen Situation, aber wir sind noch in einer Situation. Und denk immer daran, wie zurückgeblieben du bist, in welch unglaublichem Rückstand du liegst, was für endlose Rückstände du hast, das kann dir keiner nehmen, solange ich vor dir bin, das holen die nie ein.«
    Zögerlich kommen sie auf uns zu, keiner von ihnen will die letzte Hand anlegen, und so machen sie es in schöner Beiläufigkeit gemeinsam. Die gläserne Welt und ich, wir stürzen ineinander, und schon verschwinden mir alle beide, all

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