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Heimlich, heimlich mich vergiss (German Edition)

Heimlich, heimlich mich vergiss (German Edition)

Titel: Heimlich, heimlich mich vergiss (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angelika Meier
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weiter, und abends wieder zurück auf die Station. Pamplona, Pamplona … oh, là, là, mir ist nicht gut … bis hierhin vielleicht …«
    Er schwankt gefährlich nach vorn, aber zum Glück funktionieren Evelyns Reflexe besser als meine, gemeinsam schleifen wir ihn von der Kante weg, legen ihn vorsichtig auf den Rücken und betten seinen Kopf auf mein Sakko. Schweratmend greift er nach meinem Handgelenk und öffnet und schließt den Mund ein paarmal.
    »Nicht aufregen, Professor, ein kleiner Schwächeanfall, geht gleich vorüber.«
    »Dieses verdammte Biest«, alle Farben sind aus seinem Gesicht gewichen, selbst die gekrampfte immerblaue Ader an seiner rechten Schläfe liegt wie ein sinnloses durchsichtiges Röhrchen auf seiner Haut, aber die Schmerzen malen ihm anstelle der Farben ein sonderbar freundliches Lächeln aufs Gesicht. »Aber bis hierhin ist gut. Bis hierhin ist Hoher Wolf gekommen.«
    Evelyn fängt an zu weinen und rüttelt hilflos an der leeren Uhrkette herum, die der Professor, weil er seine Weste irgendwann weggeworfen hat, an seinem Hosenbund befestigt hat. Ich schaue dumpf zwischen den beiden und den zügig näher kommenden Gestalten hin und her, und der Professor fragt sanft:
    »Wie viele sind es?«
    »Drei«, ich verenge die Augen, »nein, vier.«
    In sehnsüchtiger Angst schaue ich zu, wie die auf uns zuwackelnde kleine Figurenkette in ihre Einzelglieder zerfällt. So nah sind sie mittlerweile, dass sie sich klar von ihren unangemessen hoch hinter ihnen aufragenden, maulbeerfarbenen Schatten unterscheiden lassen. Sie bilden gar keine anständige Reihe, denn der erste von ihnen zieht eine schlampige Dreierkette hinter sich her, sie rücken also als unsauberes Dreieck vor, was ich idiotischerweise als kränkend empfinde, wahrscheinlich nur, weil ich noch immer nicht erkennen kann, wer sie sind.
    »Vier, ja? Die kläglichen Reste der gläsernen Horde«, schwächlich ahmt der Professor sein kratziges Spottlachen nach. »Ich nehme an, die nehmen’s mir übel, dass ich der verrotteten alten Schlampe den Kopf abgerissen habe.«
    »Dass Sie was?«
    »Na, hätte ich diese vertrocknete Medusa nicht geköpft, wir wären gar nicht erst aus dem Haus gekommen. Da hab ich sie noch schnell erledigt, während Sie sich’s bei Dr. Tulp gemütlich gemacht haben.«
    »Das stimmt, Papa, ich war dabei. Einfach Zack, Rübe ab, das war toll!« Evelyn lacht unter seinem Tränenstrom begeistert auf. »Und innen war sie ganz hohl! Wie ein Weihnachtsmann! Das hätte ich nie von ihr gedacht!«
    Ich kann die beiden nicht fragen, was sie da reden, starre atemlos auf das aus dem Geschirr geratene Vierergespann und erkenne in der Dreierkette Dänemark, Darmstätter und … ja, er ist’s tatsächlich, etwas hinterherhängend wegen seines watschelnden Gangs, nicht für den Trab gemacht, der gute Dankevicz. Aber den, der vor den dreien vorneweg läuft und den ich sofort erkannt habe, kann ich noch immer nicht erkennen, weil ich nicht weiß, ob ich recht sehe. Die silbernen langen Haare und die pastellgelbe Jacke mit den großen runden Knöpfen schwingen mit jedem seiner hastigen Schritte weit hin und her, noch nie habe ich ihn sich bewegen sehen, immer nur still und stumm in seinen Rosen stehen, aber mein stammelnder Mund sieht es vor mir ein:
    »Der Spitzenamnestiker!«
    »Ja, altes Ääschen, der Spitzenamnestiker, oder Dr. Frauenfeld, wie er noch zu seinen Krimzeiten hieß. Ist bei uns da oben in der hohen Luft untergetaucht und hat zwanzig Jahre lang in seinem schönen Mäntelchen an seiner schweren neuen Rose geschnüffelt.«
    »Die stecken alle unter einer Decke?«
    »Ach was, sie sind viel zu kindisch, um sich eine Decke zu teilen. Nein, eine gemeinsame Sache haben sie nicht, aber sie hängen alle zusammen, was misslich genug ist, da wir ja auch alle mit ihnen zusammenhängen, und Sie wissen ja, wenn auch nur einer in der Reihe einknickt …«
    Er bricht ab, und mit schmerzverzerrtem oder eher schmerzlichem Ausdruck sieht er durch mich hindurch, ich lagere ihn in meinem Arm etwas höher, sein Oberkörper scheint sonderbar klein oder eher kurz, wie eine unentschiedene Ziehharmonika, mit einem sanften schsch bitte ich ihn zu schweigen, doch er flüstert:
    »Ich habe wirklich alles getan, um Ihnen zu helfen, dummes Doktorchen, das glauben Sie mir doch, oder?«
    »Ja natürlich, Professor, nicht mehr sprechen jetzt, Sie strengen sich …«
    »Ja, nur noch … vergessen Sie nicht, Sie müssen sich am eigenen Schopf … Sie

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