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Heimlich, heimlich mich vergiss (German Edition)

Heimlich, heimlich mich vergiss (German Edition)

Titel: Heimlich, heimlich mich vergiss (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angelika Meier
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das elende Blau sinkt, sinken, singen vom Kehlkopf an, ganz zugeschnürt ist auch wieder offen, denk dich nach oben, wenn du nach unten willst, noch immer halte ich Evelyn fest da oben, halte ihn nach oben, hebe ihn weit hoch, solange ich falle, kann ich ihn halten, gläsernes Luftwasser, zerschneidet mir nichts mehr, alles schon gerissen, irgendwo, aber er muss hoch, hoch, ganz nach oben, nimm ihn doch, nimm ihn, bevor ich unten bin, bin zu schnell, komm schon, hoch mit dir, komm, komm …
    »Komm zu dir!«
    »Hoch, hoch …«
    »Komm zu dir, Franz! Komm schon, wach auf!«

51.
    Luftholen und Ersticken kann man in einem Atemzug nennen, wenn es ein großer Atemzug ist, der erste nach dem apnoetischen Tiefgang, viel zu groß für seine Kürze, und die ganze Luft auf einmal schmerzhaft, schmerzhaft auf einmal in die gequetschte Lunge gesogen wird, von der Lunge angesogen wird oder eher von irgendjemandem, der doch noch den Fuß vom Blasebalg genommen hat, irgendjemand, der fast man selbst sein könnte, wenn man nur …, wenn man bloß wüsste, wo man…
    »Ganz ruhig, Franz, weiter atmen, so ist gut.«
    »Esther!«
    »Nicht sprechen, atmen!«
    »Esther!«
    »Schschsch …«
    Wieso sitzt sie bloß im Unterhemd auf meiner Bahre? Trage? Nein, an meinem Krankenbett. Nein, das ist unser Wohnzimmer in Kertsch. Aber das Blut überall, das viele Blut unter mir, getrocknetes, verkrustetes Blut. Nein, nur der schreckliche rostrote Bezug der Couch, der Kittel ist ja ganz weiß, nur klatschnass, ja tatsächlich, ich liege in unserem Wohnzimmer, kann nur die Wände nicht sehen in diesem Halbdunkel, das funzelige Licht der scheußlichen braunen Stehlampe, gab es denn hier kein Fenster, es gab doch hier, das ist ja hier wie …
    »… in einem Schuhkarton, Esther! Ich krieg keine …«
    »Ruhig, ich mach das Fenster auf«, sie verschwindet hinter meinen Kopf und alles schnürt sich wieder zusammen, aber da ist sie schon wieder da. Da sitzt sie wirklich, sitzt vor mir. Ich kann ihr Gesicht anfassen, ihre Mundwinkel, die unter meinen halbtaub kribbelnden Fingerspitzen unsicher zu lächeln beginnen, ich kann mit beiden Händen ihre blassen Wangen fassen, ihre scheinbar hochmütig hohen, tatsächlich mir aber weit entgegenkommenden Wangenknochen, ich kann mich aufrichten und sie küssen, Esther, nicht ihr Gespenst, sie ist es wirklich, und dann bin ich es wohl auch, wirklich. Das hier sind meine Tränen. Und das hier sind deine. Doch, auch du hast welche, sieh’s ein, Esther, das hier sind unsere Tränen, trübes grünblaues Wasser, zwar nur mit einem recht geringen Salzgehalt, vierzehn bis achtzehn Gramm pro Liter höchstens, weil in unser winziges Binnenmeer unablässig der Dnjepr und die Donau fließen, die so viel weiter reichen als wir, aber trotzdem sind das unsere Tränen, sieh’s endlich ein, auch wenn du mir jetzt natürlich wieder unwillig den Kopf wegdrehst und zu lachen versuchst:
    »Schau mich nicht so komisch an, Franz!«
    »Wie schau ich dich denn an?«
    »Weiß nicht … komisch irgendwie, wie aus weiter Ferne, auf mich drauf und durch mich hindurch zugleich, als wär ich hinter Glas gemalt.«
    »Nein, tu ich nicht, im Gegenteil. Du bist ja ganz nah. Und ich bin es auch.«
    »Ja natürlich, das bist du.«
    »Ich bin wieder da, nach all den Jahren …«
    »Ja«, lächelnd wischt sie sich hastig die Tränen weg und mir die verklebten Haare aus der Stirn, »nach all den drei Stunden. Seit unserem Streit hab ich da drüben wachgelegen und dich verflucht, und ich war sicher, du würdest genauso wachliegen und mich verfluchen. Bis ich dich dann schreien gehört habe.«
    Drei Stunden … für sie waren es nur drei Stunden.
    »Guck nicht schon wieder so komisch, Franz, zieh lieber dein Zeug aus, du bist ja klatschnass. Gott – in dem scheiß Kittel! Sieht aus, als wäre das Ding ins Wasser gefallen. Du siehst überhaupt aus, als wärst du im Traum halb ertrunken. Bist du ertrunken?«
    »Nein, überhaupt nicht, kein Wasser, es gab gar kein Wasser, nirgends. Ich hab so Durst!«
    »Ich hol dir was.«
    »Nein, warte«, sie ist schon aufgesprungen, aber ich halte sie am Handgelenk fest. »Gleich. Sag mir erst … was wolltest du mir sagen, Esther, vor zwanzig Jahren, ich meine vorhin?«
    »Das ist jetzt nicht so wichtig. Zieh das Zeug aus, du wirst dich in dem Zug erkälten.«
    »Ja, in einem Zug, meinetwegen, aber sag’s mir erst.«
    »Na gut, ich geh nur schnell pinkeln vorher.«
    »Nein, bitte nicht, bleib hier. Du musst mir

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