Heimliche Wuensche
vierzehn Jahre mit Partyfeiern verbracht.«
Berni konnte Pauline nur sprachlos anblinzeln. Vierzehn Jahre? Und dabei hatte sie das Gefühl, als habe sie erst vor wenigen Minuten den Partyraum betreten. Sie hatte zwar gemerkt, daß ihre Kleidung sich hin und wieder veränderte; aber sie konnte doch unmöglich vierzehn Jahre in dem einen Raum verbracht haben! Sie hatte weder geschlafen noch etwas gegessen, kaum einen Schluck getrunken und nicht ein einziges Gespräch mit den übrigen Partygästen geführt. Sie hatte sich zwar vorgenommen, mit ihnen über die Küche zu reden und über ihre Aufträge; aber es schien sich nie eine Gelegenheit zu so einer Unterhaltung geboten zu haben.
»Es liegt ein Auftrag für dich vor«, sagte Pauline.
»Großartig«, erwiderte Berni und lächelte. Wenn sie diese Probe bestand und in den Himmel versetzt wurde — was für Freuden erwarteten sie dort wohl? Der Himmel mußte ja ein Superplatz sein, wenn er noch besser war als die Küche.
Pauline führte sie einen Korridor hinunter, an mehreren goldenen Torbögen vorbei, die Berni nur zu gern erkundet hätte. Über einem stand »Harems-Phantasie«, über einem anderen »Piraten«.
Endlich wandte sich Pauline einem Durchgang zu, über dem »Betrachtungszimmer« geschrieben stand. Dies war ein großer Raum mit einer Reihe im Halbkreis angeordneter Sofas, die mit pfirsichfarbenem Samt überzogen waren. Um diese Sitzgelegenheiten herum wallte dicker weißer Nebel.
»Mach es dir bitte bequem.«
Berni ließ sich in die weichen Samtpolster fallen und sah dorthin, wo auch Pauline hinschaute — auf die nebelverhangene Wand gegenüber. Binnen Sekunden teilte sich der Nebel, und eine Szene kam zum Vorschein. Es war wie in einem Kino, aber viel plastischer, oder wie in einem Bühnenstück, jedoch viel realistischer.
Eine junge Frau, schlank, hübsch, mit hellbraunen Haaren, die sie straff aus dem Gesicht gekämmt hatte, stand vor einem bis zum Boden reichenden Spiegel. Sie trug ein langes Kleid mit mächtigen Puffärmeln aus dunkelgrüner Seide, über dem Busen mit glänzenden schwarzen Perlen bestickt, und das Oberteil war in der Taille so eng geschnürt, daß es ein Wunder war, wie sie in diesem Ding noch atmen konnte. Auf dem Boden standen drei Hutschachteln, und die Frau probierte gerade einen Hut nach dem anderen an. Das Zimmer war hübsch anzusehen, eingerichtet mit einem Bett, einem Schrank, einer Frisierkommode und einem Flickenteppich vor dem Kamin. Aber ein Zimmer in einem Schloß war es sicherlich nicht. Auf dem Kaminsims lagen geöffnete Billetts.
»Ich nehme doch nicht an, daß sie uns sehen kann«, sagte Berni.
»Nein, sie ahnt nicht, daß sie beobachtet wird. Ihr Name ist Terel Grayson. Sie ist zwanzig Jahre alt und lebt in Chandler in Colorado. Man schreibt das Jahr 1896.«
»Willst du damit sagen, daß ich aus einem antiken Mädchen ein Aschenputtel machen soll? Ich bin in Geschichte nicht bewandert. Ich brauche jemanden aus meiner eigenen Zeit.«
»In der Küche sind alle irdischen Zeiten gleich.«
Berni sah wieder zu dem Bildschirm hin und seufzte. »Also gut. Und so steckt der Prinz? Und wo die böse Stiefschwester?«
Pauline gab ihr darauf keine Antwort, und Berni verfolgte stumm die Szene auf dem Bildschirm. Terel bewegte sich rasch im Zimmer hin und her, betrachtete die Einladungen in den geöffneten Umschlägen und kramte dann in dem großen Kleiderschrank aus Mahagoni. Sie seufzte und musterte verdrießlich die Kleider, ehe sie diese aufs Bett schleuderte.
»Sie benimmt sich genauso wie ich«, sagte Berni lächelnd. »Ich bekam auch Berge von Einladungskarten und war dann immer in Verlegenheit, was ich anziehen sollte. Natürlich brauchte ich mir in dieser Hinsicht keine Sorgen zu machen. Ich hätte selbst in Lumpen erscheinen können und wäre dennoch Ballkönigin geworden.«
»Ja«, sagte Pauline leise. »Terel ist dir sehr ähnlich.«
»Ich könnte ihr schon ein wenig auf die Sprünge helfen«, sagte Berni. »Mit einigen Kosmetika und einem Haartönungsmittel. Sie braucht nicht viel. Sie ist zwar nicht so hübsch, wie ich in ihrem Alter war; aber attraktiv genug. Jedenfalls braucht sie sich mit dieser Figur nicht zu verstecken.« Sie blickte Pauline an. »Wann soll ich mit der Betreuung anfangen?«
»Ah«, sagte Pauline, »hier kommt Nellie.«
Berni blickte auf den Schirm zurück. In diesem Moment öffnete sich die Zimmertür, und herein trat eine zweite Frau, älter als Terel und in der Taille
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